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Archiv-Artikel

Otto – die Schily-Show

Nicht gegendarstellungsfähig (XI): Eisenbergs juristische Betrachtungen. Heute: Schily vor dem Visa-Ausschuss

Ich bin kein Fan des Bundesinnenministers. Der Mann hat keine Überzeugungen gewechselt. Sein im Amte gezeigtes illiberales und autoritäres Staatsverständnis, mit dem er jederzeit bereit war, Staatsräson vor Grund- und Freiheitsrechte zu stellen, entspricht dem, was er an Überzeugungen auch als Möchtegernverteidiger von RAF-Gefangenen schon vor dreißig Jahren gezeigt hat.

Gleichwohl: Er war der Zeuge, den der Visa-Untersuchungsausschuss zum Abschluss verdient hat. Das hat er gut gemacht.

Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss hat von Verfassungs wegen die Aufgabe, den Minderheitsfraktionen zu eröffnen, auf der parlamentarischen Bühne die Regierung zu behelligen, mit Untersuchungen zu überziehen und Regierungsmitglieder durch Inquisition zu stellen. Kein Verfassungsgeber hatte ernsthaft die Hoffnung, dass ein echter Erkenntniszuwachs aus einem solchen Ausschuss erwächst. Wie sollte das auch möglich sein, wenn der Umfang von Fragerechten von Vertretungsprozenten im Parlament abhängt? Also: Ziel der Untersuchung ist es, der Opposition Teilhaberechte am öffentlichen Diskurs über die Regierungspolitik zu begründen: Dieses Ziel hat der Ausschuss erreicht. Daran hat Schily in vorbildlicher Weise mitgewirkt. Denn mit dem Untersuchungsrecht des Ausschusses korrespondiert die Erscheinens- und Auskunftspflicht der Zeugen. Nicht zur Zeugenpflicht gehört es aber, sich von Typen wie Uhl, von Klaeden oder Königshaus vorführen zu lassen und den Zielen der Parteien dieser Figuren zu dienen.

Wenn der Zeuge erscheint und seinen zusammenhängenden Sachbericht gibt und hernach auf die ihm gestellten Fragen Antworten gibt, ohne zu lügen, hat er seine Pflichten umfassend erfüllt. Genau das hat Schily getan. Niemand kann ihm vorwerfen (das unterscheidet ihm von berühmten Zeugen der CDU in früheren Untersuchungsausschüssen), nicht umfassend und wahrheitsgemäß geantwortet zu haben. Dass er die schlechten Fragen des notorisch unfähigen Ausschussvorsitzenden und der unfähigen Obleute der Oppositionsfraktionen nicht unterwürfig beantwortet hat, ist ihm so wenig vorzuwerfen wie dass er ihnen Demut verweigerte.

Schily war kein Innenminister, dem für die Durchsetzung von Grund- und Freiheitsrechten ein Denkmal gesetzt werden kann. Er war aber ein Zeuge, den sich Zeugen zukünftiger Untersuchungsausschüsse zum Vorbild nehmen sollten: Als Beispiel dafür, wie durchsichtigen politischen Ambitionen von Fragestellern mit striktem Gesetzesgehorsam gegenüber Zeugenpflichten entgegengetreten werden kann. Und das auch noch – so weit es den Zeugen angeht – mit Unterhaltungswert! JONY EISENBERG

Unser Autor ist Strafverteidiger und Presseanwalt in Berlin