wortwechsel
: Häuser im Grünen und CO2-Emissionen

Diskussion über Einfamilienhäuser und Flächenverbrauch, die gemeinsame deutsch-jüdische Geschichte und sprachliche Korrektheit in Glossen

Viel Platz ums Mehrfamilienhaus Foto: Florian Gärtner/imago

Das Wichtige ist der Garten

„Einfamilienhaus gleich Currywurst“,

taz vom 20. 2. 21

Der Überlegung, dass zum Klimaschutz eine kubisch dichte Bewohnerpackung mehr beitragen kann als die Dispersion in Einfamilienhäusern, ist kaum zu widersprechen. Das Problem liegt an einer anderen Stelle und heißt: Garten. Seit einem Jahr wissen wir alle, welchen unersetzlichen Wert eine Auslauffläche für Hund, Kind und Part­ne­r*in hat, die uns auch durch Quarantänemaßnahmen und Zero-Contact-Anmutungen nicht genommen werden kann. Dichter wohnen wäre kein Thema, wenn freie Flächen als Kleingärten mit einem zweihundertjährigen Erbpachtrecht an die Wohnungen gekoppelt würden. Stattdessen herrscht aber die Tendenz, die freien Flächen entweder in Gewerbegebiete umzuwidmen oder mit umfänglichem Naturschutz zu belegen, sodass der in den Wohnwürfel platzierte Mensch keinen Zugriff mehr darauf hat. Zumindest nicht zum Werfen eines Balles, zum Aufstellen eines Planschbeckens oder zum Anpflanzen einer nicht standortheimischen Zucchini. Landesregierungen, die von den Grünen mitgestaltet wurden, haben in NRW das erste (Gewerbegebiete) nicht verhindert und das zweite (Naturschutzgebiete) exzessiv gestaltet, mit dem Ziel eines kompletten Verbotes jeglicher Freizeitnutzung außer der „stillen Erholung in der Natur“. Solange es hier nicht zu einem Ausgleich kommt, wird man keinem Menschen verübeln können, dass er das Einfamilienhaus bevorzugt – wegen der Möglichkeit zur artgerechten Bodenhaltung der Familie im Umfeld.

W. Kehren, Bonn

Flächenverbrauch und Klima

„Grüne im Häuserkampf“,

taz vom 24. 2. 21

Die Umwandlung von Brach-, Acker,- Garten- und Waldflächen in Siedlungs- Verkehrs- und Industrieflächen ist stets auch eine Verwandlung von CO2-Aufnahmeflächen in CO2-Emissionsflächen! Nach neuester Erhebung liegt der tägliche Flächenverbrauch bei 57 ha. Moorflächen, Wald und Acker sind nach wissenschaftlichen Untersuchungen des Thünen-Instituts maßgebliche Potenziale für die CO2-Speicherung. Auf den Äckern, den Wäldern und auch Gärten wird auf mehreren Ebenen CO2 eingelagert: durch die Bindung von CO2 im Humus, durch Bakterien und andere Kleinlebewesen und durch die Ansiedlung und den Anbau von Pflanzen, die auf biologischem Wege CO2 binden können. Der geplante Handel mit CO2-Zertifikaten setzt genau dort an: Für versiegelte und bebaute Flächen müssen Emissionszertifikate erworben werden, während CO2-Aufnehmer Zertifikatsgutschriften oder Verrechnungszertifikate erhalten (verrechenbar mit CO2-Emissionen aus der Tierhaltung, die dort in großem Maße anfallen). Die Land- und Fortwirtschaft scheint da weiter zu sein als die Flächenverbraucher in den städtischen und ländlichen Kommunen. Derzeit findet der Klimawandel wohl nur noch in politischen Sonntagsreden eine Erwähnung, und Robert Habeck wiegelt schon mal in vorauseilendem Gehorsam ab.

Peter Held, Schaalby

„Alternative Fakten“

„Grüne im Häuserkampf“,

taz vom 24. 2. 21

Wer glaubt, dass das Einbringen alterna­tiver Fakten ausschließlich oder vor allem in der britischen oder amerikanischen Tagespolitik üblich geworden ist, wird wieder einmal nicht umhinkommen, sich einzugestehen, dass dem nicht so ist. Aus einer ganz normalen Dis­kussion über einen lokalen Bebauungsplan machen interessierte Kreise die pauschale Aussage: „Die Grünen wollen Einfamilienhäuser verbieten.“ Hochinteressant ist dies aus mehreren Gründen. Einmal dass dies wider besseres Wissen, auch und gerade im Hinblick auf die Umsetzbarkeit einer solchen Forderung geschieht, also rotzfrech gelogen ist. Und, noch viel schlimmer, dass dieser Blödsinn von großen Teilen der Bevölkerung geglaubt wird. Dabei ist eine offene und ernsthafte Diskussion über die Wohnungsbaupolitik der Zukunft, und dies auf allen politischen Ebenen, seit Jahren überfällig!

Achim Schmid, Ostfildern

Gemeinsame Geschichte

„Acht Meter tief Geschichte“,

taz vom 13. 2. 21

Ich vertrete die Idee einer mehr als tausendjährigen GEMEINSAMEN deutschen Geschichte, die ich nichtjüdischen Deutschen plausibel machen möchte. Nun hat ein Kölner Verein unter dem Titel „1700 Jahre Juden in Deutschland“ eine Veranstaltungsreihe in Gang gesetzt, die dieser Tage im Bundestag eröffnet wurde, jetzt aber unter der Bezeichnung „1700 Jahren jüdisches Leben im deutschsprachigen Raum“. Ja, denn „Deutschland“ gab es im Jahr 321 nicht, weder in Köln noch irgendwo anders. Colonia Agrippina war eine römische Provinzhauptstadt am Rhein. Die Idee einer gemeinsamen deutsch-jüdischen Geschichte stößt bei vielen nichtjüdischen Deutschen auf Skepsis, wenn nicht Abwehr. Das ist mein Eindruck. Aber sie scheint mir der hoffnungsvollste Weg zur Bekämpfung des grassierenden Antisemitismus! Wenn also in dem Zusammenhang der unzutreffende Ausdruck „Deutschland“ verwendet wird, so fürchte ich, bietet man den Antisemiten nur eine Angriffsfläche! Was bedeutet denn „Juden in Deutschland“? Nichts anderes, als dass Juden keine Deutschen sind. Seit die christliche Referenz an Wirksamkeit verlor, stützte man sich auf „Rassismus“, der bekanntlich auch eine Erfindung ist. Ursprünglich ging es um politischen Einfluss. Vor wie vielen Jahrhunderten müssen meine Vorfahren eingewandert sein, damit ich mich „Deutsche“ nennen darf? Ich wünsche mir, dass die Leute beginnen, zu fragen: Wer sind denn eigentlich „die“ Juden? Das diesjährige „Jubiläum“ wird sich dieser Frage zuwenden. Und das ist das eigentlich Wesentliche an dem Ereignis. Denn wir haben so viel Gemeinsames! Wir haben so viel voneinander gelernt! Das habe ich in ihrem schönen Artikel vermisst. Wenn in den Trümmern des Zweiten Weltkriegs sich ein Sederteller befand, so haben die Besitzer dieses Stück vermutlich eher aufbewahrt als geraubt. Denn auch das hat es gegeben – das Jüdische Museum Frankfurt machte 2008 eine ganze Ausstellung mit solchen Dingen.

Barbara Höhfeld, Frankfurt a. M.

Joseph Beuys

„Tausend nackte Lappen“,

taz vom 20. 1. 21

In Ihrer Glosse über Joseph Beuys nennen Sie die Klinik für psychische und neurologische Krankheiten Bedburg-Hau eine Irrenanstalt. Das ist fatal. Der Begriff „Irrenanstalt“ ist eine Bezeichnung aus grauer Vorzeit. Einer Zeit, als in der Klinik in Bedburg-Hau über 750 Patienten auf Anweisung des Hitler-Regimes sterilisiert wurden, über 2.300 Patienten wurden nach 1939 in die Tötungsanstalten Grafeneck und Brandenburg verlegt. Die letzten 157 wurden in der Tötungsanstalt Hadamar und in Meseritz-Obrawalde ermordet. Dass ihr „Autor“ diesen Begriff so nonchalant mit Joseph Beuys in ­Verbindung bringt, zeugt entweder davon, wie ungebildet er ist, oder wie seine ­Gesinnung aussieht. Beides der taz unwürdig. Alexander Scherer, Düsseldorf

Gefährliche Spinner

„Alles gelogen!“,

taz vom 25. 2. 21

Tom Torres, Betreiber eines Kaffeehauses in Warwick, New York, bastelt sich die Welt, wie sie ihm gefällt. Damit zählt er zu den weltweit Millionen von gefährlichen Spinnern, die ihre Fantasterein für Meinung halten. Wie so viele dieser Spinner vor ihm bekommt Tom eine Seite in der taz, auf der seine krude Weltsicht umfangreich dargestellt wird. Mein Vorschlag: Statt den Deppen dieser Welt andauernd Plattformen zu bieten, berichtet doch lieber über Menschen, die Sinnvolles für die Menschheit tun.

Andreas Smidderk, Düsseldorf