: Flüchtlinge werden schikaniert
AUSLÄNDERBEHÖRDE Initiativen und Anwaltsverein beklagen zunehmende Repressionen gegen Asylsuchende und Migranten unter Schwarz-Grün
Philipp Rotfisch, Café Exil
Das Urteil fällt vernichtend aus. „Die grüne Regierungsbeteiligung hat am repressiven Umgang mit Flüchtlingen nichts verändert“, sagt Sigrid Töpfer, Rechtsanwältin mit dem Schwerpunkt Ausländerrecht. Wo die GAL früher aus der Opposition heraus noch medienwirksam die Praktiken der Ausländerbehörde kritisiert habe, lasse sie sich heute „von der CDU in der Innenpolitik immer wieder über den Tisch ziehen“. So sei Hamburg „bundesweites Schlusslicht bei der Umsetzung der Bleiberechtsregelungen“, dafür aber ganz weit vorn, wenn es darum gehe, „Flüchtlinge zu schikanieren und ihnen ihre wenigen verbrieften Rechte zu nehmen“.
Franz Forsmann vom Flüchtlingsrat und Melanie Rinollo sowie Philipp Rotfisch, die für das „Café Exil“ ehrenamtlich Asylsuchende in die zentrale Erstaufnahmeeinrichtung an der Sportallee 70 (Groß Borstel) begleiten, nicken zustimmend zu den Ausführungen der Vertreterin des republikanischen AnwältInnenvereins. Sie haben eine lange Liste mit Rechtsbrüchen der Ausländerbehörde erstellt, bei denen MitarbeiterInnen des Café Exils Zeuge waren.
„Gedemütigt, beleidigt und wie Menschen dritter Klasse behandelt“, würden die Flüchtlinge hier, sagt Rotfisch und zählt minutenlang die protokollierten Schikanen auf. Wie die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes der Einrichtung unbefugt Akten einkassieren und sich deren Details über den Flur zubrüllen, wie Flüchtlingen bei Anhörungen unter fadenscheinigen Begründungen (“Wir haben nicht genügend Stühle“) das Recht auf eine Begleitperson verwehrt wird, wie ihnen ohne Begründung eine erkennungsdienstliche Behandlung aufgenötigt werde und wie sie unter Druck gesetzt würden, unübersetzte Papiere zu unterschreiben, deren Inhalt sie nicht verstünden.
Auch die fiktive Altersfestsetzung junger unbegleiteter Flüchtlinge, das „Ältermachen“, um Minderjährige nicht in Hamburg unterbringen zu müssen, sondern sie als Erwachsene in andere Bundesländer „umverteilen“ zu können, steht auf der Liste der Schikanen. Dass das Hamburger Verwaltungsgericht in einem Eilverfahren diese Praxis gerade untersagt habe, kümmere niemanden. Da der Beschluss noch nicht rechtskräftig sei, „ignoriert die Behörde ihn einfach“, klagt Forsmann.
Um Flüchtlinge besser beraten zu können, starten Flüchtlingsrat und Café Exil am morgigen Samstag ein neues Projekt. Mit einer „Opening-Party“ samt Kundgebung soll ab 13 Uhr vor der Erstaufnahmeeinrichtung ein Infobus eingeweiht werden, der in der Nähe der Unterkunft Asylsuchende über ihre Rechte aufklärt und ihnen Begleitung anbietet. Wo genau die einmal die Woche geplante Beratung stattfinden soll, ist allerdings noch unklar. Bislang verweigerte das Bezirksamt Nord den Initiativen einen Stellplatz für ihre mobile Beratungsstelle. MARCO CARINI