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Jörn Kabisch AngezapftPanschen Sie weiter, Monsieur Tilquin!

Foto: privat

Der Verschnitt ist verpönt, schon seit einiger Zeit, leider. Beim Wein ziehen viele Trinker einen sortenreinen Primitivo der Cuvée vor. Dasselbe bei Kaffee: Röstereien bieten Single Origins an – hundert Prozent Arabica von einer einzigen Plantage. Auch beim Bier gibt es den Trend: Brauer verlassen sich dann genau auf eine Hopfensorte, um ihr Bier zu würzen. Es ist ein extrem puristischer Zugang, den vor allem kleine Lebensmittelhandwerker wählen, um sich von Produkten der Industrie abzugrenzen. Die, so das Bild, panscht ja ständig, damit der Geschmack immer der Gleiche bleibt.

Wo es um den Verschnitt nie schlecht bestellt war, ist das Bierland Belgien. Einer der belgischen Braustile, die Gueuze, muss sogar ausdrücklich aus verschiedenen Bieren gemischt sein, nämlich aus den spontan vergorenen Lambic-Bieren. Das geschieht nicht nur in Brauereien, sondern dafür existieren auch spezialisierte Gueuzerien. Die kaufen Jungbier ein, lassen es in Fässern reifen und cuvetieren am Ende aus ein-, zwei- und dreijährigen Lambics ihre eigene Gueuze. Die wird abgefüllt, und das einjährige Bier, das noch viel gefräßige Hefen enthält, setzt dann noch einmal eine Flaschengärung in Gang.

Das Metier hat ein hohes Ansehen. Namhafte Brauereien des Landes liefern an die Panscher, an die besten zuerst. Pierre Tilquin ist einer von den besten und zugleich der jüngste Bierblender Belgiens. Erst 2009 hat er seine Gueuzerie gegründet, im Süden Belgiens, wo das Starkbier heimisch ist, aber nicht die sauren Lambics. So begann Tilquin als Exot in der eigenen Landesecke und hat sich einen internationalen Ruf zusammengepanscht.

Eine Gueuze ist also ein Sauerbier und die Pointe dabei: Diese Biere schmecken je nach Jahrgang nie gleich, höchstens ähnlich. Denn für die Fermentation sind wilde Hefen verantwortlich, der Blender kann beim Mischen höchstens aromatische Kanten abschleifen.

Tilquins Gueuze gilt als leicht gängiges Einstiegsbier für Neulinge, die den Bierstil kennenlernen wollen, zugleich aber auch als ein Juwel des Segments. Mich hat vor allem der Schmelz dieses überaus ausgewogenen Bieres überzeugt. Fruchtig-saure Pfirsich- und Stachelbeernoten weichen angenehm würziger Ledrigkeit und süßlichen Malznoten. Dabei ist die Gueuze à l’ancienne so trocken, wie es eben noch angenehm ist, und das Gleiche lässt sich von ihrer Säuerlichkeit sagen. Sie ist so komplex wie viele Biere zusammen und entwickelt dabei eine Vollmundigkeit, ähnlich wie lang gereifte Weißweine.

Gueuzerie Tilquin, Gueuze à l’ancienne, 7 % vol.

Also, Monsieur Tilquin, panschen Sie weiter! Ich werde Sie im Auge behalten. Und im Mund.

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