wortwechsel
: Der Tod bleibt ohne Gewähr. Immer. Noch

Ein selbstbestimmter Tod in Würde – wird das nun Realität durch neue Gesetzgebungen?
Wie viel Leid muss ein Mensch aushalten – und beweisen? Wem? Wem gehört der Tod?

Trost für die Trauernden: Grabstein auf dem Friedhof Wöhrd in Nürnberg Foto: Marion Hammer

„Debatte um Sterbehilfe: Jedes Leben ist lebenswert. Der assistierte Suizid wird kommen. Doch in evangelischen Einrichtungen sollte er nicht möglich sein. Auch aufgrund der deutschen Geschichte“, taz vom 10. 2. 21

Christliche Arroganz?

Wie eh und je ermächtigt sich wieder ein Theologe, zur Kompetenz über Leben und Sterben zu entscheiden. Mit viel schönem Wortgeklingel, aber am Ende knallhart entzieht er Patienten das verfassungsgemäße Recht, selbst über ihren Tod zu bestimmen. Es ist dieselbe geistige Arroganz, mit der die christlichen Kirchen über die Jahrhunderte hinweg Abertausenden von Menschen ihr Lebensrecht absprachen. Allemal fanden Theologen wunderbar gedrechselte Rechtfertigungen für Kreuzzüge, Ketzerverbrennungen, Glaubenskriege. Stehen die christlichen Kirchen eigentlich auf dem Boden unseres Grundgesetzes? Alfons Hack, Grafing

Was gehört zur „Würde“?

Wir haben derzeit überhaupt eine Würde-Diskussion, die mich am Verstand sogar von Merkel zweifeln lässt. Wir benötigen dringend eine generelle Diskussion, was die unabdingbaren Voraussetzungen für Würde sind. Bildung und Gerechtigkeit gehören zweifellos dazu. Sterbehilfe und organisierte Meuten, die damit Geld verdienen, gehören gewiss nicht dazu! Evangelische Einrichtungen sollten bitte an ihre Mithilfe an der Euthanasie während der NS-Zeit denken, bevor sie bei diesem Grauen mitwirken, es scheint, dass sogar Geldgier sie treibt. Manchmal finde ich es doch richtig, dass ich wegen eines in der Bürokratie versenkten Austritts nach wie vor, fast aus Versehen und auch dafür, den Katholiken ihren eigenen Wahnsinn vorzuhalten, nach wie vor katholisch bin. Annette Weber, Speyer

Daseinsvorsorge

Die beiden „großen Kirchen“ haben in vielen Bereichen ein Quasi-Monopol für bestimmte Bereiche der Daseinsvorsorge geschaffen. Es gibt schlicht wenige nicht-konfessionelle Einrichtungen – vor allem für Menschen in Lebensphasen, für die ein assistierter Suizid in Frage kommt. Besonders erschwerend tritt hinzu, dass diese Frage ausgerechnet in den Lebensphasen zu eminenter Bedeutung kommt, in der die Betroffenen kaum noch in der Lage sind, sich um alternative unterstützende Institutionen zu bemühen, in Lebensphasen, in der sie in ganz besonderer Weise hilfebedürftig geworden sind.

Mit dem verfassungsrechtlich garantierten allgemeinen Persönlichkeitsrecht, das die Freiheit einschließt, sich das Leben zu nehmen und hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und in Anspruch zu nehmen, treten noch etliche weitere Fragen in den Vordergrund.

Das Subsidiaritätsprinzip ist ja keins, dass Bevormundung in staatlichen Institutionen ersetzen soll durch Bevormundung in konfessionellen Einrichtungen. Und ich möchte auch nicht mit Vertretern von Institutionen zunächst eine mühevolle Diskussion führen müssen, ob ich vielleicht zu einsam bin oder zu wenig dem rechten Glauben zugetan, um mein Persönlichkeitsrecht in einer konfessionsgebundenen Einrichtung auch in den letzten Fragen des Lebens umsetzen zu dürfen. Wenn kirchliche Einrichtungen aus Glaubensgründen nicht in der Lage sind, das individuelle Persönlichkeitsrecht so zu achten, dass es umgesetzt werden kann, bedeutet dies das Ende des Subsidiaritätsprinzips für diesen Lebensbereich.

Raimund Schorn-Lichtenthäler, Datteln

Assistenz beim Suizid

Auch wenn von rechtlicher Seite die Assistenz zum Suizid zulässig ist, bedeutet das noch lange nicht, dass der andere auch verpflichtet ist, dies zu tun, und das ist auch gut so.

Denn auch der Assistent beim Suizid muss diese Situation verarbeiten, verkraften und moralisch tragen können. Die Erlaubnis führt nicht automatisch zur Verpflichtung. Sabrina K. auf taz.de

Es geht hier nicht um die zweifellos desaströse deutsche geschichte oder natürlich legitime meinung gegen die sterbehilfe – es geht um autonomie.

Kipferl auf taz.de

Sterbehilfe oder Suizid?

Wie so oft bei diesem Thema werden hier aktive Sterbehilfe und assistierter Suizid recht munter durcheinandergebracht, dabei hat das BVerfG schon vor einem Jahr klar festgestellt: „Das den innersten Bereich individueller Selbstbestimmung berührende Verfügungsrecht über das eigene Leben ist insbesondere nicht auf schwere oder unheilbare Krankheitszustände oder bestimmte Lebens- und Krankheitsphasen beschränkt. Eine Einengung des Schutzbereichs auf bestimmte Ursachen und Motive liefe auf eine Bewertung der Beweggründe des zur Selbsttötung Entschlossenen und auf eine inhaltliche Vorbestimmung hinaus, die dem Freiheitsgedanken des Grundgesetzes fremd ist.“ Das bedeutet aber auch, dass die im Artikel als Alternativen insinuierten Optionen Palliativmedizin und Sterbefasten im allgemeinen Fall eben keine adäquaten oder auch nur geeigneten Mittel wären. Ingo Bernable auf taz.de

Wo kein Gott ist …

„Es gibt vor Gott kein nicht lebenswertes Leben. Es gibt ausschließlich lebenswertes Leben.“ Hm. Das ist natürlich überzeugend. Aber überall da, wo kein Gott ist oder sich nie blicken lässt, während Menschen zum Beispiel elendig am Krebs krepieren und nur noch durch lebenserhaltende Maßnahmen in die letzten Tage gequält werden, sollte jeder selbst über einen würdevollen Tod bestimmen können. Ohne dass ihm irgendein Gläubiger erklärt, was er für lebenswert erachtet oder nicht. Deep South auf taz.de

Gnade? Für Schoßhunde

Ich find das so was von widerlich, was vor allem kirchliche Institutionen meinen, dass man einem Menschen antun und erleiden lassen müsse. Sie würden unter Tränen seinem Hund ein qualvolles Siechtum ersparen und ihn gehen lassen, wenn seine Existenz von unsäglichem Leid geplagt ist, aber wehe, es geht um einen Menschen, dem darf auf keinen Fall dieselbe Gnade wie dem Schoßhund zugute kommen. Michael Baudler auf taz.de

„Debatte um Sterbehilfe: Wenn Leben nur noch Leiden ist. Der ärztlich assistierte Suizid muss in Notlagen möglich werden. Zwei neue Gesetzentwürfe zeigen brauchbare Wege, wie das gehen kann“, taz vom 11. 2. 21

Jenseits der Politik?

Im Grunde eine Schande, dass wir Menschen in eine Situation bringen, in der das Leben nicht mehr lebenswert ist. Danke, liebe etablierte Parteien! Ihr habt die Arbeitsbedingungen in der Pflege geschaffen! Ihr habt das Gesundheitssystem „auf private Beine“ gestellt. Schämt euch! Bolzkopf auf taz.de

@Bolzkopf Wenn jemand nicht mehr leben will, der unheilbar krank oder alt und gebrechlich ist, hat das nichts mit Arbeitsbedingungen in der Pflege zu tun. Meine Mutter und meine Großmutter sind zu Hause gestorben, bei bester Pflege – und es war trotzdem ein elendiges Dahinsiechen. Es hätte würdevolleres Sterben gegeben. Holger Steinebach auf taz.de