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Sechs Titel, ein Virus

Nach dem Sextuple muss der FC Bayern nicht nur mit Bielefeld klarkommen, sondern auch mit unangenehmen Diskussionen

Aus München Maik Rosner

Einigermaßen entspannt nahm Hansi Flick nach zwei Tagen Freizeit am Sonntagmittag auf dem Podium Platz. Doch als es um die Kritik am Sonderstatus der Profi-Fußballer und um deren Reisen inmitten der Coronapandemie ging, stand der Trainer des gerade aus Katar zurückgekehrten Klub-Weltmeisters FC Bayern schnell wieder unter Strom. „Der Herr Lauterbach hat zu irgendwas immer einen Kommentar abzugeben“, sagte Flick unwirsch über den SPD-Politiker. Langsam könne man „die ganzen Experten nicht mehr hören“, und statt ständig zu allem Kritik zu äußern, sollten diese sich besser um einen Weg aus der Coronakrise kümmern, schimpfte Flick. Es war ein Appell, bei dem er einräumen musste: „Wir haben einen Sonderstatus.“ Die Reise nach Katar sei aber nun einmal „unser Job, unser Business“. Vielen anderen Bürgern allerdings ist es gerade verboten, ihrem Broterwerb nachzugehen, das unterschlug Flick in seiner durchaus heiklen Argumentation.

Es war ein dünnes Eis, auf das er sich mit dem Selbstbewusstsein eines Erfolgstrainers begeben hatte. Und es ist ein Kontrastprogramm, auf das sich die Münchner nun versuchen einzustellen. Von der Klub-WM sind sie mit ihrem sechsten Titel innerhalb eines Jahres zurückgekehrt. Nach dem sogenannten Sextuple wartet auf die Bayern an diesem Montagabend der Ligaalltag gegen Aufsteiger Arminia Bielefeld. Zur sportlichen Fallhöhe kommt das Temperaturgefälle, zudem muss Flick auf gleich vier Stammkräfte verzichten. Thomas Müller hatte sich in Katar mit Covid-19 infiziert, war mit einem Ambulanz-Flugzeug separat zurückgekehrt und befindet sich in Quarantäne. „Er hat sein Faschings-Outfit gehabt für dieses Jahr“, erlaubte sich Flick einen Scherz über jenen Schutzanzug, in dem Müller für einen wohl mittleren fünfstelligen Euro-Betrag aufwendig nach München transportiert worden war, was Kritiker ebenfalls als Beleg für den Sonderstatus der Profi-Kicker anführten. Neben Müller fehlen vorerst Innenverteidiger Jérôme Boateng (privater Trauerfall) und Flügelspieler Serge Gnabry (Muskelfaserriss im linken Oberschenkel). Gegen Bielefeld noch nicht wieder einsatzbereit sind zudem die zuletzt mit Covid-19 infizierten Leon Goretzka (jetzt Wadenprobleme) und Javier Martínez sowie Defensivspieler Tanguy Nianzou und Ersatztorwart Alexander Nübel.

Zur sportlichen Fallhöhe kommt auch noch das Temperaturgefälle

Der hochveranlagte Nianzou, 18, befindet sich nach seinem Muskelbündelriss immerhin kurz vor der Wiedereingliederung in den Spielbetrieb. Für die kommende Saison ist dafür auch Leipzigs nicht minder begabter Innenverteidiger Dayot Upamecano, 22, vorgesehen. Seinen Wechsel für die festgeschriebene Ablöse von angeblich 42,5 Millionen Euro bestätigte Bayerns Sportvorstand Hasan Salihamidzic am Freitagabend via Bild-Zeitung, pikanterweise während des Leipziger Ligaspiels gegen Augsburg. Upamecano kommt als Reaktion auf David Alabas bevorstehenden Abschied zum Saisonende, auch Boatengs Vertrag läuft dann aus. Upamecano erhält einen Fünfjahresvertrag bis 2026 und ist bereits der Münchner Königstransfer für die kommende Saison.

Gegen Aufsteiger Bielefeld werden es aber noch die geschlauchten Klub-Weltmeister mit ihrer ausgedünnten Besetzung richten müssen, also wohl mit Leroy Sané für Gnabry, Niklas Süle für Boateng und Jamal Musiala für Müller. Nach ihren zwei freien Tagen zur Erholung vom Dauerstress samt Reisestrapazen nahmen sie erst am Sonntag die Vorbereitung auf. Man müsse eben „seinen inneren Schweinehund überwinden“, gab Flick in Auftrag. Es ist eh nur ein Gerücht, dass sie bei der Arminia schon Klub-WM-Sieger-Besieger-Shirts drucken.

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