taz🐾sachen: Chaos oder einfach Winter?
Als sprachkritische Zeitung nimmt die taz Anregungen zu sensiblem Gebrauch bestimmter Vokabeln auch und gerade von ihren geneigten Leser:innen immer gern entgegen. Aktuell flatterte uns eine Bitte eines solchen ins Haus. Darin ersucht er uns, das Wort „Chaos“ in Zusammenhang mit dem starken Schneefall zu vermeiden. Schließlich handele es sich um ein ganz normales mitteleuropäisches Wetterphänomen, auch Winter genannt.
Kennzeichen: Minusgrade, Schneefall, Glatteis und Räumfahrzeuge. Dergleichen habe er in seinem Leben bereits mehrfach erlebt, wie der Mail zu entnehmen ist. Die Aufregung um in weiße Schneedecken gehüllte Dächer, Bäume, Autos und Straßen hat natürlich nicht nur damit zu tun, dass dieser normale Winter in den letzten Jahren keineswegs normal, sondern eher selten war. Manch ein Berliner Kind kennt ihn überhaupt nur aus Filmen wie „Die Eiskönigin“ oder „Ice Age“. Dafür singen sie in der Schule Ökolieder wie „Hey, hey, hey, nach allem was ich seh, draußen liegt überhaupt kein Schnee“. Kein Wunder, dass die Gefühle verrückt spielen. Vor allem aber spielt unsere Infrastruktur verrückt: Züge, die nicht mehr fahren, Heizungen, die gegen die Kälte kaum ankommen, Menschen, die auf Autobahnen übernachten müssen, Lieferfahrzeuge, die Ihnen Ihre taz nicht zustellen können – das könnte man doch als Chaos bezeichnen. Trotzdem, der Schnee an sich ist nicht das Problem. Oder, um es frei nach Rosa von Praunheim zu sagen: Nicht das Wetter ist chaotisch, sondern die Situation, in die es einen bringt. (sny)
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