das portrait
: Kegelrobbensind niedliche Kannibalen

Mag gern Kegelrobbenfleisch: die KegelrobbeFoto: Carsten Rehder/dpa

Können diese Augen lügen? Vermutlich nicht. Neigen Kegelrobben zu Kannibalismus? Tatsächlich, ja. Das haben Meeresbiologen aus Büsum herausgefunden. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Instituts für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung zeigt: Kegelrobben, diese dicken, niedlichen und leicht unförmigen Tiere im Wattenmeer, fressen ihre Artgenossen. Und sie gehen dabei nicht sonderlich rücksichtsvoll vor.

Ihre Methode: Mit Krallen und Zähnen verpassen sie ihrem Gegenüber zunächst einen glatten Schnitt in den Rumpf. Das aufgerissene Fell stülpen sie um, ziehen es auf links und vergehen sich daraufhin am frei gelegten Fettgewebe. Mehr Effizienz geht nicht. Der Kannibalismus ist eine lohnende Jagdmethode. Ein Gramm des artgleichen Fettes ersetzt das von zehn Dorschen. Dabei sind Fische das eigentliche Grundnahrungsmittel der Robben. Neben den Dorschen stehen Heringe, Plattfische, allerlei Krebse und Schnecken im Rohkost-Kochbuch.

In der Nordsee waren Kegelrobben fast ausgerottet. Erst ein Jagdverbot und weniger Umweltgifte führten dazu, dass sie in den 1990er-Jahren zurückkehrten. Seitdem wächst der Bestand. Über 1.500 Tiere leben mittlerweile vor den Küsten Niedersachsens und Schleswig-Holsteins. Hier sind sie zu Publikumslieblingen geworden. Kein Wunder, denn ihr Nachwuchs ist entzückend. Mit flauschigem, weißen Fell liegen die Heuler auf Sandbänken und blicken die Touristen unschuldig an. Nun der Schock: Kannibalismus. Welch unzivilisierte Grausamkeit! Und es kommt noch schlimmer: Die Büsumer Studie belegt, dass die Killerrobben auch die im Norden heiß geliebten Schweinswale jagen.

Wie nun damit umgehen? Vielleicht kann es trösten, dass Kannibalismus nichts ungewöhnliches ist. Auch Eisbären fressen Jungtiere auf. Und zur Geschichte des Menschen gehören kannibalistische Praktiken ebenfalls. Bis ins 20. Jahrhundert galten Blut, Fett und Knochenmehl als heilsam, wie der US-Zoologe Bill Schutt in seinem Buch „Cannibalism“ beschreibt. Wir sollten es den Kegelrobben also nicht übel nehmen. Finn Starken