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Archiv-Artikel

Härtefall Dinges-Dierig

Büchergeld und Behördenchaos: Die Bildungssenatorin muss auf der Sondersitzung des Schulausschusses allerlei Fehler und Probleme einräumen und reichlich Kritik von der rot-grünen Opposition einstecken

Von Sven-Michael Veit

„Das Thema scheint Hamburg ja zu bewegen“, staunte der Vorsitzende des Schulausschusses der Bürgerschaft, Marino Freistedt (CDU), zu Beginn der Sondersitzung. In der Tat waren die Zuschauer- und Presseplätze im großen Saal des Rathauses prall gefüllt, und in der Tat auch sollte es eine bewegte Sitzung werden am gestrigen Nachmittag. „Wir wollen hier aufklären, nicht mit Dreck werfen“, echauffierte sich zwischenzeitlich CDU-Schulpolitiker Robert Heinemann über das arg detaillierte Nachbohren von SPD und GAL: Das Schulbuch-Chaos in Hamburg zu lichten hatte der Schulausschuss sich zur Aufgabe gesetzt, so recht gelingen jedoch mochte das nicht.

Ungewohnt defensiv ließ sich Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) bereits in ihrem 20-minütigen Eingangsstatement zur Sache ein, und in die Offensive sollte sie auch nicht mehr kommen. „Die Umsetzung ist sehr kompliziert“, erklärte sie, und das eine oder andere Schreiben ihrer Behörde an die Schulen sei „missverständlich interpretierbar“ gewesen, räumte sie ein.

Im Januar lag das behördliche Konzept dafür vor, zum neuen Schuljahr im August die Lernmittelfreiheit in Hamburg „einerseits abzuschaffen“, dieses aber „so sozial verträglich zu machen, wie es geht“, erläuterte die Senatorin. Das sei „nicht überstürzt“ gewesen, leider aber seien „immer wieder Termine gerutscht“. Vornehmlich aufgrund von Problemen mit der eigens angeschafften Software für die Schulen habe es „ab April immense Zeitprobleme“ gegeben, wie ihr Staatsrat Reiner Schmitz (CDU) eingestand.

Nun aber sei das System „gut in Fahrt gekommen“, frohlockte Dinges-Dierig. Fast zwei Drittel der Schulen hätten drei Wochen vor Ende der Sommerferien ihre neuen Bücher bereits bestellt, bei den anderen werde die Behörde „darauf dringen, dass dies zügig angegangen wird“. Es handele sich um eine „künstliche Aufregung aus durchsichtigen Gründen“, die aber „mit der Realität wenig zu tun hat“.

Ein Vorwurf, den sich die Opposition nicht bieten ließ. Mit ausgeprägter Liebe zum Detail löcherten speziell die Schulexpertinnen Britta Ernst (SPD) und Christa Goetsch (GAL) die Senatorin und ihre neunköpfige Beamtenriege. Wer wann welchen der vielen und sich teilweise widersprechenden Infobriefe an die Schulen geschrieben habe und welcher denn jetzt gelte, bewegte das Gremium ebenso ausführlich wie ergebnislos.

Die Härtefallregelung? Darüber könne und dürfe jeder Schulleiter individuell entscheiden, so Dinges-Dierig. Und die nur teilweise Übernahme der Kosten durch die Behörde zu Lasten der einzelnen Schule? Sowas habe nie zur Diskussion gestanden, das hätten „die Medien falsch verstanden“.

Ob die Senatorin denn über die Probleme bei der Umsetzung regelmäßig informiert worden sei, beantwortete Dinges-Dierig mit Ja. Und fing sich die vorwurfsvolle Nachfrage ein, warum sie dann nicht eingegriffen habe. Genau das habe sie doch getan, erläuterte Dinges-Dierig, zum Beispiel gerade erst vorige Woche durch die Abberufung der beiden Projektleiter. Das sei erstens „zu spät“ gewesen, entgegnete Britta Ernst, und außerdem „ein Bauernopfer, um von ihrer eigenen Verantwortung abzulenken“.

Sie sei früher „sechs Jahre selbst Lernmittelverantwortliche an einer Schule gewesen“, erklärte Dinges-Dierig, „ich weiß, wovon ich rede“. Und insgesamt könne jetzt konstatiert werden, „dass es gut gelaufen ist“. Wenn denn aber „alles so gut lief“, fragte daraufhin SPD-Studienrat Wilfried Buss: „Warum lief dann so viel schief?“

„Hinterher“, gab Dinges-Dierig zu, „ist man immer schlauer.“