: Bremen redet sich Mut zu
Bildungssenator Willi Lemke fühlt sich als „Gewinner“, weil Bremen – obwohl immer noch Schlusslicht im Pisa-Ranking – deutliche Punktzuwächse verzeichnen kann
BREMEN taz ■ Bremens Bildungssenator Willi Lemke (SPD), der gern an seine ruhmreiche Zeit als Manager von Werder Bremen erinnert, braucht in diesen Tagen der zweiten Pisa-Pleite positive Meldungen. Bremen ist nämlich Schlusslicht, auch bei Pisa 2003. Aber während die Bremer CDU das als Ergebnis jahrzehntelanger sozialdemokratischer Schulpolitik interpretiert, jubelt Lemke über die kleinen Erfolge der letzten Jahre – in denen er die bildungspolitische Verantwortung trug.
Zum Beispiel hat er „Ostercamps“ für versetzungsgefährdete Schüler eingeführt. Fünfhundert Schüler haben an diesen Ferienlagern teilgenommen – die Hälfte der Teilnehmer hat die Versetzung geschafft. „Das Angebot ist ein Volltreffer, es erspart den versetzten Schülern ein ganzes Schuljahr“, zieht Lemke beglückt Bilanz.
Mit dieser und weiteren Maßnahmen hat der Bildungssenator die Sitzenbleiberquote drücken lassen. Diese verschlechterte in der Vergangenheit Bremens Pisa-Ergebnisse. Die Lehrer sind verpflichtet worden, Mitte des Schuljahres „Förderpläne“ für Schüler vorzulegen, die auf der Kippe stehen. Zwar wird von Fällen berichtet, in denen die entsprechenden Schüler in den so vorgewarnten Fächern mindestens eine Vier geschafft haben, dafür aber in anderen Fächern Fünfen in Kauf nahmen. Doch für ein „mangelhaft“ in Fächern, bei denen es keine offizielle Förderwarnung gab, darf niemand mehr sitzen bleiben.
Auch Vergleichsarbeiten, gegen die es hierzulande vor Jahren noch heftigen Protest gab, sind als „Qualitätsmanagement“ inzwischen selbstverständlich. Die vierten, sechsten und zehnten Klassen schreiben seit einigen Jahren einheitliche Tests, die – bisher schulintern und vertraulich – gezielt ausgewertet werden. So weiß die Schulbehörde sehr genau, welche Schulen zu den Leistungsträgern gehören. Zentrale Abschlussprüfungen für alle Schüler sind ab dem nächsten Jahr vorgeschrieben und werden das System transparenter machen.
Vor allem aber hat das Bildungsressort im Bereich der Elementarbildung auf den ersten Pisa-Schock reagiert. Diese Reformen würden sich allerdings erst in einigen Jahren auf die Ergebnisse in nationalen und internationalen Schulleistungstests auswirken, da bei Pisa die 15-Jährigen getestet werden, sagte Lemke bei der Präsentation der Ergebnisse der jüngsten Pisa-Studie aus dem Jahre 2003.
So führt er die kleinen Sprünge nach vorn, die Bremen am Ende der Schlange zwischen Pisa 2000 und 2003 gemacht hat, denn auch eher auf psychologische Ursachen zurück als auf knallharte bildungspolitische Veränderungen: Das sei eine „Frage der Motivation“, meinte der Bildungspolitiker. Bei der ersten Studie hätten Bremer Schüler klassenweise die Pisa-Tests boykottiert, teilweise ermuntert von ihren Lehrern. Beim zweiten Mal sei die verbreitete Haltung gewesen: „Leute, da kommt was auf uns zu, wir wollen uns nicht blamieren.“ Mit speziellen „Pisa-Beauftragten“ war an vielen Schulen der besondere Typus der Pisa-Matheaufgaben gebüffelt worden.
Jetzt wartet der Bremer Bildungssenator auf die detaillierte Auswertung des „Sozialindikators“, der das schlechte Bremer Abschneiden noch etwas relativieren könnte. Im Bundesdurchschnitt beträgt der Abstand zwischen Kindern mit Migrationshintergrund – die in Bremen 40 Prozent der Schülerschaft stellen – und Schülern deutscher Herkunft rund 100 Punkte. Das ist der Abstand von Gewinner Korea und Verlierer Griechenland.
Zudem zeigt die Feinanalyse, dass die Verbesserungen von 2003 gegenüber dem Jahr 2000 in allen Ländern insbesondere an den Gymnasien erreicht wurden – an den Hauptschulen hat es dagegen keine Fortschritte gegeben. Auch in Bremen sind die Hauptschulen die Schulen für den „Rest“ der Schüler, zehn Prozent eines Jahrgangs schafft nicht einmal den Hauptschulabschluss.
Um das Bildungsklima am unteren Ende des Spektrums zu verändern, sind die Bremer Hauptschulen mit den Realschulen zu „Sekundarschulen“ zusammengeschlossen worden. Die Lehrerausstattung hat sich aber nicht verbessert, so dass viele Eltern mit der Flucht in die Gesamtschulen reagierten. Ob mit dieser Fusion also mehr Bildungserfolg organisiert werden kann, wird sich in der Pisa-Studie 2009 zeigen. KLAUS WOLSCHNER