heute in bremen
: „Jeder soll seine Meinung vertreten dürfen“

Foto: privat

Johannes Richter, 22, lebt in Bremen, ist Informatiker und einer von 160 zufällig ausgewählten Mitgliedern des Bürgerrates.

Interview Lotta Drügemöller

taz: Herr Richter, wenn ich jetzt sage: „Sie sind Deutschland!“, habe ich dann Ihre Rolle im Bürgerrat richtig verstanden?

Johannes Richter: Naja, ich bin ja einer von vielen, die zufällig ausgewählt wurden, um Deutschland zu repräsentieren. Also würde ich schon sagen, dass ich jetzt Deutschland bin – auch wenn das ein wenig seltsam klingt.

Erklären Sie doch mal – worum geht’ s denn da?

Mitte November habe ich einen Brief bekommen, in dem stand, dass 160 Leute zufällig für den Bürgerrat ausgewählt wurden, und dass ich darunter bin. Menschen aus allen Gesellschaftsschichten sollen gemeinsam über verschiedene Themen diskutieren – das Ganze läuft aufgrund von Corona natürlich digital.

Hätten Sie auch absagen können?

Ja, mir wurde die Wahl gelassen. Ich musste schon drüber nachdenken, aber eher, weil es viele Termine sind: Das Ganze fordert so um die 50 Stunden Zeitaufwand. Zwischen Mitte Januar und Ende Februar soll man zweimal die Woche dabei sein. Ich habe mich trotzdem dafür entschieden, schließlich habe ich auch privat ein Interesse an Politik; ich kann hier meine Stimme einbringen und eventuell auch etwas bewirken.

Thema ist dieses Jahr Deutschlands Rolle in der Welt. Haben Sie dazu denn eine Position?

Ich weiß noch gar nicht genau, was mich da erwartet. Als Themen kann man sich da natürlich alles vorstellen: In Europa gibt es einen Rechtsruck – wie steht Deutschland da? Und dann wird wohl auf jeden Fall Corona Thema sein.

Mal ganz direkt gefragt: Warum sollte ein IT-ler wie Sie dazu etwas zu sagen haben?

Ich weiß nicht, ob es irgendeinen Unterschied macht, dass ich IT-ler bin. Ich bin einfach ein Teil einer Gesellschaftsschicht, die dargestellt werden soll. Ich interessiere mich auch privat für andere politische Bereiche, habe ein freiwilliges politisches Jahr in einem Ortsamt in Bremen gemacht und auch mal ein paar Monate in einem Heim für Geflüchtete Nachhilfe gegeben. Aber wenn wir schon bei IT sind: Ich denke, ich kann vielleicht eine Meinung aus der Branche einbringen; zum Beispiel zum Thema Digitalisierung in Coronazeiten. Vielleicht ist es gar nicht so doof, wenn ein IT-ler dabei ist. Zu dem Thema möchte ich gerne Stellung beziehen.

Bürgerrat „Deutschlands Rolle in der Welt“: 13. Januar bis 20. Februar, online in ganz Deutschland

Machen Sie mal!

Die Digitalisierung und die technische Ausstattung in Schulen wird in Deutschland meiner Meinung nach nicht ausreichend gefördert. Ich bin im letzten Jahr meiner Ausbildung und habe auch noch Berufsschule. Da habe ich hautnah mitbekommen, dass ich trotz Inzidenzzahlen von 200 immer noch in die Schule musste; erst spät kam die Umstellung auf digitalen Unterricht. Ich bin also mit schlechtem Gefühl in die Schule gegangen, weil es auch bedeutet hat, dass ich einen Teil der Familie mit Vorerkrankungen oder in einem bestimmten Alter nicht sehen kann.

Es könnte sein, dass Sie im Bürgerrat auf Menschen treffen, die genau das Gegenteil von dem vertreten, was Sie gut finden …

Das wird mit Sicherheit vorkommen. Ich glaube nicht, dass ich da sauer werden würde. Auch privat treffe ich auf Leute, die anderer Ansicht sind. Wichtig ist es dann, sich auch mal zurückzunehmen, die anderen auch sprechen zu lassen. Jeder soll seine Meinung vertreten dürfen. Das ist ja irgendwie auch der Sinn von diesem Projekt.