Jasmin Ramadan
Einfach gesagt
: Lachmöwen, Reptilien und Warteschlangen

Foto: Roberta Sant'anna

Wie die Tiere, die Amis da in Amiland!“, sagt der Herr in der Schlange vor dem Supermarkt und hält seiner Frau das Telefon hin. Sie schiebt es weg:

„Kannst du dich mal fünf Minuten über nix aufregen.“

„Sei nicht ignorant gegenüber dem Weltgeschehen, das betrifft dich auch, Susanne, guck mal, die führen sich auf wie Tiere.“

Die Frau vor ihnen dreht sich um:

„Tiere sind anständige Gesellen, die können für nix und wissen von nix, im Gegensatz zu unsereins!“

Der Mann ruft:

„Wer ist unsereins?! Mensch ist vom Dötz her nicht gleich Mensch!“

„Und Mann nicht gleich Frau“, sagt Susanne, er schnauft:

„Jetzt fang’nicht wieder damit an, ich bin eher wie du als wie der Ami-Affe da im Büro von der Pelosi!“

Die Frau vor ihm sagt:

„Affen sind hochanständige Lebewesen, da hätten wir evolutionär hängen bleiben sollen, das hätt’der Erde gut getan!“

„Wissen Sie, gnädige Frau, Menschen, die Tiere verherrlichen, haben oft bescheidene soziale Qualitäten. Sie haben doch bestimmt mindestens zwei Katzen, die Ihnen nie widersprechen!“

„Achim, jetzt lass doch“, sagt Susanne.

Die Frau verschränkt die Arme:

„Irrtum, Sie Schlaumeier, wer Tiere liebt, hat keine!“

„Sie haben doch nur kein Tier, weil sie nicht mal für einen Zierfisch Verantwortung übernehmen könnten, so egozentrisch, wie Sie sind.“

„Achim, jetzt streit hier nicht rum, können wir nicht einmal rausgehen, ohne dass du dich irgendwo reinreibst?!“

„Mit dir kann ich ja nicht mehr streiten, Susanne, und das will ich, ich will mich streiten, die Frau da reagiert wenigstens noch kühn und beherzt auf mich!“

„Danke! Manuela heiß ich!“

„Achim!“

„Weiß ich doch längst!“, ruft Manuela und zwinkert.

Susanne sagt:

„Dann verbring doch das Wochenende oder am besten gleich den ganzen Lockdown mit Manuela.“

„Ey, Susanne, lass gut sein, ich will deinen Mann gar nicht, ich will gar keinen Mann mehr, dein Mann hat Recht, ein Tier wär mir lieber, aber mein Lieblingstier kann man nicht in der Wohnung halten.“

„Und das wäre?“, fragt Susanne.

„Krokodil!“

„Warum das?“

„Es hat sich seit Millionen von Jahren nicht weiterentwickelt, weil es längst evolutionär perfekt war, und es hat alle Einschläge überstanden.“

„Deshalb hast du es gern?“, fragt Achim.

„Klar, das ist beeindruckend, ich werd’gern beeindruckt, Menschen beeindrucken mich schon seit 1986 nicht mehr. Was ist denn dein Lieblingstier, Achim?“

„Ganz klar, die Möwe!“

„Ach ja“, sagt Susanne, „Weil die soooo frei ist, im Gegensatz zu dir!“

„Nee, weil die so regional ist, so hamburgisch, ich war nie nationalistisch, nicht mal im kleinen Zeh, aber lokal, da schlägt mein Herz höher.“

„Möwen gibt es aber nun wirklich überall, sogar im bösen Amiland, an denen ist nix regional!“, ruft Manuela.

„Ja“, sagt Susanne „und an den Tieren im Kapitol auch nicht.“

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. Sie war 2020 für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.