: Japan kauft Stimmen für mehr Walfang
Die Regierung in Tokio soll Vertretern kleiner Inselstaaten ihre Reisen zu den Walfangkonferenzen sponsern. Dafür stimmen diese im Sinne Japans. Auch umgekehrt erkaufen sich Walfanggegner wie Australien über Entwicklungshilfe ihre Unterstützung
VON REINHARD WOLFF
Japan hat sich für mehrere Millionen Dollar Stimmen für ein Ja zum kommerziellen Walfang in der Internationalen Walfangkommission (IWC) gekauft. Bei den bestochenen Ländern handelt es sich um die Salomon-Inseln, Grenada und die Dominikanische Republik. Dies gaben ehemalige Vertreter dieser Länder in der IWC vor dem australischen Fernsehsender ABC zu. Damit scheint wahr zu werden, was von Insidern schon lange vermutet wird: Nicht nur die Mitgliedschaft dieser Länder in der IWC, sondern auch deren Stimmabgabe wurden von Tokio gekauft.
In der Fernsehsendung „Four Corners“ berichteten die ehemaligen IWC-Kommissare der Salomon-Inseln, Albert Wata and Nelson Kile, von der Großzügigkeit Tokios: So würden die Mitgliedsbeiträge des Landes für die IWC ebenso wie Flugtickets zu den Treffen dieser Organisation und sonstige Spesen von Japan bezahlt. Tione Bugotu, Chef der Fischereibehörde des Landes, bestätigte den Geldfluss von mehreren Millionen Dollar. Dafür habe sich Japan nicht nur für 30 Jahre die Fischfangrechte rund um die Inseln, sondern auch die Stimmen bei der jährlichen IWC-Tagung gekauft. Die Salomon-Inseln hatten im vergangenen Monat bei der IWC-Jahresversammlung in Korea für den Antrag Japans auf Freigabe des Walfangs gestimmt – und das, obwohl der Fischereiminister des Landes vorher der australischen Regierung ausdrücklich ein „Nein“ versprochen haben soll.
Atherton Martin war früher Umweltminister der Dominikanischen Republik. 2000 trat er nach eigenen Angaben aus Protest gegen den japanischen Stimmenkauf von diesem Amt zurück. Heute meint er, die Staatengemeinschaft sehe nur die Spitze eines Eisbergs, was japanische Einmischungsversuche in die Politik kleiner, finanzschwacher Staaten betreffe: „Das ist mehr als Erpressung, das ist Erpressung in Vollendung.“
Laut ABC hat die karibische Inselnation seit ihrem Beitritt zur IWC mehr als 45 Millionen Dollar Entwicklungshilfe von Japan bekommen. Die letzten vier Jahre stimmte das Land jeweils mit Japan, nachdem es vorher die Befürworter eines weiteren Fangmoratoriums unterstützt hatte. Exminister Martin sagte, sein Regierungschef habe diesen Umschwung damit begründet, dass ansonsten keine Hilfe aus Japan mehr zu erwarten sei.
Auch das Votum der Nachbarinsel Grenada ist nach Aussage des ehemaligen IWC-Walfangkommissars Michael Baptiste Ende wegen japanischer Hilfsgelder für die Fischereiwirtschaft des Landes in Richtung pro Walfang gedreht worden. ABC konnte auch auf eine offizielle Bestätigung Grenadas verweisen, wonach Reisen zu IWC-Treffen von Japan bezahlt worden seien. Tokio selbst bestritt allerdings, dass es sich dabei um öffentliche Gelder gehandelt habe. Vielmehr stünden Pro-Walfang-Organisationen hinter diesen Zahlungen.
Dass Wirtschaftshilfe fließt, um die Stimmabgabe in der IWC zu beeinflussen, bestreitet Tokio nicht. Japan verweist auf die Walfanggegner: Diese hätten das Fangmoratorium vor 20 Jahren ebenfalls nur mit gekauften Stimmen durchgesetzt oder aber mit der Aufnahme von nur an Walschutz interessierten Mitgliedsländern wie Österreich und der Schweiz. Dass die meisten Pazifischen Inselstaaten nach wie vor auf der Contra-Seite stehen, steht ihrerseits womöglich mit der umfassenden Wirtschaftshilfe des Walfanggegners Australien in Verbindung.
Die Walfangländer Japan, Island und Norwegen, die sich schon jetzt über das Moratorium hinwegsetzen und „aus wissenschaftlichen Gründen“ jagen, machen keinen Hehl daraus, dass sie auf ein Kippen der IWC-Mehrheiten hinarbeiten und damit möglicherweise schon mit kommendem Jahr rechnen.