piwik no script img
taz logo

berliner szenenWas ist in diesem Kaffee drin?

Gestern. Ein großes Berliner Krankenhaus, Rettungsstelle, Sonntagnacht. Ich bin Ärztin. Das ist so etwas Ähnliches wie Arzt. Ich trinke in einer Nacht mehr Kaffee als viele Menschen in ihrem ganzen Leben. Der Kollege, den ich ablöse, hat tiefe Schatten unter den Augen. „Es sind leider noch zehn ungesehene Patienten im Warteraum“, entschuldigt er sich, „aber ich war die ganze Zeit im Schockraum beschäftigt.“

Der Schockraum ist der Raum für die Notfälle. Es ist kein gutes Zeichen, wenn man dort lange beschäftigt ist. „Der Patient ist schon auf der Intensivstation“, beruhigt er mich und hält mir zwei Tassen Kaffee hin, „trink erst mal, die anderen haben am Ende alle nur Schnupfen.“ Ich trinke beide Tassen und rufe den ersten Patienten auf. Er hat tatsächlich Schnupfen. Seit vier Jahren aber, also ziemlich sicher kein Corona. Auch den nächsten fünf Patienten läuft die Nase. Ich trinke pro Gespräch jeweils vier Tassen Kaffee und hefte unauffällig die Visitenkarte meines Hausarztes an den Rettungsstellenbericht. Gegen Ende der Nacht bin ich bei etwa 50 Tassen angelangt. Ich weiß nicht, wie viel Koffein in diesem Kaffee ist, aber es muss ein ausgeklügeltes Rezept sein, denn die Wirkung hält stets nur so lange wie die Schicht. Schon auf dem Vorplatz der Klinik lässt sie nach, und für den Weg zur U-Bahn muss ich sofort nachlegen, sonst schaffe ich es nicht nach Hause.

Neulich habe ich geträumt, der Chef habe die Kaffeemaschine manipuliert. Flüchtiges Koffein hatte er beigemischt und einen Stoff, der süchtig genug machte, dass man bereit war, auch den fünften Nachtdienst in Folge anzutreten. Schweißgebadet wachte ich auf. Zurück in der Rettungsstelle traf ich den Chef an der Kaffeemaschine. Er zwinkerte mir zu und reichte mir eine Tasse. Ich hatte es immer gewusst.

Eva Mirasol

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen