: Günstige Alternative
Stadtplanungsstudierende der TU Harburg erforschen die Auswirkungen der Hafencity auf die Innenstadt. Und prophezeien die Umwandlung von Büros in Wohnungen
Was wird aus der City, wenn die Hafencity einmal fertig ist? Dieser Frage, die Grundeigentümer, Geschäftsinhaber und Immobilienmakler schon seit längerem umtreibt, sind Studenten des Fachs Stadtplanung der TU Harburg in einem zweisemestrigen Projekt nachgegangen, das zum Semesterende vorgestellt wurde. Ihrer Einschätzung nach wird die Hafencity die Innenstadt als Wohnlage aufwerten und der zweiten Garnitur der Einzelhandels- und Büroflächen (B-Lagen) Mieter wegnehmen. Ein gefährlicher Konkurrent für die innerstädtische Einkaufsmeile könne die Hafencity aber schon allein deshalb nicht werden, weil sie nur rund ein Sechstel der 300.000 Quadratmeter Handelsfläche in der City anbiete.
Die neun Studierenden, acht Männer und eine Frau, hatten zum Vergleich die Wirkung ähnlicher Entwicklungsquartiere untersucht: die umgenutzten Hafenareale Kop van Zuid in Rotterdam und Akerbrygge in Oslo. Als Zielzeit für ihre Prognose wählten sie das Jahr 2012: Dann soll der westliche Teil der Hafencity fertig sein. Allein mit dem Überseequartier am Magdeburger Hafen sollen dann 55.000 qm Einzelhandels-, 144.000 qm Büro- und 20.000 qm Wohnfläche hinzukommen, von den Wohnungen und Büros am Sandtor- und Grasbrookhafen zu schweigen.
Für Geschäftsräume in Sahnelage am Jungfernstieg, an Mö oder Spitaler Straße erwarten die Studierenden kurzfristig eine erhöhte Nachfrage, weil die Hafencity viele Neugierige in die Innenstadt locken werde. Wie das Beispiel Oslo zeige, werde der neue Stadtteil aber auf lange Sicht an Attraktivität einbüßen. Die guten Lagen der City würden sich behaupten können, weil sie über einen „Zentralitäts- und Reputationsvorteil“ verfügten. In weniger günstig gelegenen Straßen, wie in den Großen Bleichen, im Neuen Wall und den Colonnaden und jenen zwischen City und Hafencity seien dagegen „langfristige Niedergangsprozesse“ zu erwarten.
Eine ähnliche Entwicklung vermuten die Studenten auf dem Büroflächenmarkt. In der Hafencity würden homogene Neubauten mit optimalen Grundrissen, großzügigem Zuschnitt und ausreichend Parkplätzen errichtet. Nur die besten Büros in der Innenstadt könnten da mithalten. Bei gleich bleibender Nachfrage würden verstärkt teure Büros gemietet.
Es sei zu erwarten, dass sich an einigen Stellen Büros und Läden in Wohnungen verwandelten. Dabei unterstellten die Studierenden einen Trend zum innerstädtischen Wohnen, der durch die Hafencity zusätzliche Impulse erhalten werde. „Die City wird zum günstigen Alternativstandort im Vergleich zur Hafencity“, prognostizierte Ilja Prokopez von der Projektgruppe. Südlich der Ost-West-Straße allerdings würden arme Mieter von reichen verdrängt. Dem Senat empfehlen die Studierenden, die Umwandlung von Gewerbe und Wohnraum zu unterstützen.
Zu der Projektgruppe gehörten Guido Fründt, Nikolai Schmidt, Johannes Zahn, Ilja Prokopez, Hedda Kohlmann, Ramak Sepelri, Felix Cieplik, Jan Vorholt und Boris Böhm. Sie schließen mit der Arbeit ihr sechstes Semester ab und werden Mitte Oktober die Examensarbeiten für ihren Bachelor-Abschluss einreichen. Die Gruppe wurde betreut von Professorin Monika Dobberstein und ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Maike Dziomba. Gernot Knödler