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Vorglühen

Der Glühwein ist ein Pandemie­gewinner. Bis letzten Winter noch den Weihnachtsmarkt-Aficionados vorbehalten, hat er sich zum Must-have der Saison gemausert. Eine Aschenputtelgeschichte. Aus dem sonst unter geübten Alkoholisten verpönten Mixgetränk wurde der heiße Topfavorit von Fucking bis Villingen-Schwenningen, von Kreuzberg-Friedrichshain bis Idar-Oberstein.

Kneipen, die ansonsten auf ihren Weinkarten 5 Zeilen brauchen, um zu beschreiben, was für edle Tropfen zu 48,90 Euro sie im Angebot haben, machen jetzt die Fenster auf und schenken Glühwein aus, der kleine Becher zu 5,50€.

Die heiße Mischung Zimt/Anis/Traube eignet sich dabei nicht nur für den Lockdown light. Selbst wenn der Alkoholausschank gänzlich verboten ist, kann man sich die heiße Brühe mit Schuss einfach selbst zurechtkochen. Wo man ja sowieso ständig in der eigenen Küche ­abhängt, kann eine Abwechslung vom Lebkuchenhaus­basteln und Sonntagsbrötchenbacken nicht schaden.

Weiterer Vorteil: Die in die Arbeitslosigkeit abgerutschte Thermoskanne kriegt endlich wieder einen Job. Für solche pandemischen Notfallsituatio­nen sind diese Dinger doch schließlich erfunden worden. Und nicht für Aufenthalte in Büros mit voll ausgestatteter Kaffeküche.

Jetzt muss man sich nur noch über die genaue Zahl der Hausstände informieren, die man noch treffen darf, und dann kann es losgehen: in den Wald, den Stadtpark oder einfach an die Bushaltestelle.

Auf diese Weise verbindet man in der Pandemie das Nützliche (Bewegung und frische Luft) mit dem Angenehmen (Freundesehen und Trinkfreuden). In der Pandemie wird das Vorglühen eben zur Hauptglut.

Doris Akrap

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