: Sticheleien gegen Impfgegner
GESUNDHEIT Weil Eltern ihre Kinder nicht impfen, steigt die Zahl der Masernerkrankungen – gerade in wohlhabenderen Bezirken. Gesundheitssenator Czaja kündigt Kampagne an
VON ANTJE LANG-LENDORFF
Mario Czaja konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Bei Steglitz-Zehlendorf und Reinickendorf handele es sich um „Problembezirke“, stellte er fest. Der CDU-Gesundheitssenator bezog sich damit auf den Infektionsschutz: Gerade in diesen Stadtteilen mit vielen bildungsnahen Haushalten sei die Masernimpfquote niedriger als in ärmeren Bezirken, sagte der Senator. Bei Migranten liege die Impfquote dagegen höher. „Imame werben in muslimischen Glaubenshäusern gezielt für die Impfung“, so Czajas Erklärung.
Der Infektionsschutz ist ein Thema im Jahresbericht 2011 des Landesamts für Gesundheit und Soziales, den der Präsident des Amtes, Franz Allert, am Mittwoch zusammen mit Czaja vorstellte. In Berlin liegt die Zahl der Infektionen im Bundesvergleich zum Teil deutlich über dem Durchschnitt. Beispiel Grippe: In Berlin kamen auf 100.000 Einwohner 85 Kranke, im Bundesschnitt waren es nur 53. Im Vergleich zu anderen Großstädten bewege sich Berlin aber im Mittelfeld, so das Fazit des Berichts. In Großstädten sei die Ansteckungsgefahr eben größer, erklärte Amtspräsident Allert.
160 Fälle von Masernerkrankungen zählte das Landesamt im Jahr 2011. Das ist ein Rekord: In den vergangenen zehn Jahren waren die Zahlen immer zweistellig. 2003 wurden sogar nur 2 Kranke gemeldet. Die meisten Masernfälle traten 2011 in Reinickendorf und in Pankow auf. Das sei auf den Ausbruch der Krankheit an einer Reinickendorfer Waldorfschule zurückzuführen, deren Schüler teilweise auch in Pankow lebten, erläuterte ein Mitarbeiter des Landesamts. Bereits 2010 hatte es einen Masernausbruch an einer Waldorfschule in Zehlendorf gegeben. Jungen und Mädchen, die keinen Impfschutz nachweisen konnten, wurden vorübergehend nach Hause geschickt.
Quoten unter 90 Prozent
In den wohlhabenderen Bezirken bündelten sich die Impfgegner, sagte Czaja. Die Einschulungsuntersuchungen von 2011 zeigen: Inzwischen haben im Schnitt 9 von 10 Kindern einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern. In Steglitz-Zehlendorf, Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg liegen die Quoten aber unter 90 Prozent. Von den Kindern mit türkischem Migrationshintergrund sind hingegen 96,1 Prozent geimpft.
Mediziner warnen regelmäßig, dass Masern lebensgefährliche Folgen haben können, etwa eine Gehirnhautentzündung, die zum Tod führt. Auch das Robert-Koch-Institut empfiehlt die Impfung. Kritiker meinen, die Krankheit sei den Kindern zumutbar, die Impfung könne unabsehbare Nebenwirkungen haben, etwa Allergien auslösen.
In diesem Jahr zählte das Landesamt für Gesundheit bislang 16 Masernfälle. Damit es in Zukunft nicht erneut zu größeren Ausbrüchen der Krankheit kommen kann, will Mario Czaja für die Impfung werben. Der Gesundheitssenator kündigte an: Im Frühjahr 2013 soll es eine Kampagne zum Thema geben – und zwar verstärkt in Steglitz-Zehlendorf und Reinickendorf.