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Archiv-Artikel

Finanzmärkte haben Berlin ganz doll lieb

SCHULDEN Ratingagentur Moody’s droht dem Land mit schlechterem Zeugnis. Macht nix, so der Senat

Berlin verdankt dem Föderalismus seinen guten Stand bei Ratingagenturen

Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) hat für die jüngsten Einschätzungen Berlins durch die Ratingagentur Moody’s nur ein Schulterzucken übrig: „Es geht dabei nicht um die Haushaltslage Berlins, denn diese bleibt unverändert stabil“, sagte eine Sprecherin Nußbaums der taz. Moody’s hatte am Dienstagabend Berlin, Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt eine Verschlechterung ihrer Kreditwürdigkeit attestiert. Würde diese in Gestalt einer schlechteren Bewertung durch Moody’s Realität, müssten die Länder womöglich höhere Zinsen für Kredite an den Finanzmärkten zahlen.

61,2 Milliarden Euro Schulden hat Berlin derzeit. 8 Milliarden davon will es in diesem Jahr tilgen, muss aber gleichzeitig 9 Milliarden neu aufnehmen, um seinen Haushalt zu finanzieren. Zu welchen Konditionen Investoren dem Land Geld leihen, entscheiden sie mitunter anhand von dessen Bewertung durch Ratingagenturen. Die sechs jetzt genannten Länder sind Kunden bei Moody’s, die übrigen bestellen und bezahlen ihre Ratings bei Konkurrenzunternehmen. Berlin lässt sich gleich zweifach attestieren, wie sicher es Kredite zurückzahlen wird: von Moody’s und von Fitch.

Beide Agenturen bewerten Berlin als zuverlässigen Rückzahler: Fitch gibt dem Land derzeit sein bestmögliches Siegel AAA. Moody’s erteilt seinen zweitbesten Wert Aa1. Daran ändert die neue Warnung nichts. Lediglich Berlins Aussichten bewertet Moody’s nun „negativ“ und nicht mehr „stabil“ wie zuvor – dies entspricht dem Procedere bei den anderen fünf Ländern. Grund dafür sei, dass Moody’s die Bestnote für die Kreditwürdigkeit des Bundes bedroht sieht, sagte der leitende Moody’s-Analyst Massimo Visconti der taz: „Bund und Länder sind konstitutionell so eng miteinander verwoben, dass Druck auf den Bund auf jedes Land durchschlägt.“ Der Druck ist in diesem Fall Moody’s Einschätzung, dass ein Ausstieg Griechenlands aus dem Euro und dadurch immense Kosten für Deutschland wahrscheinlicher werden.

Derzeit zahlt Berlin laut Finanzsenator Nußbaum rund 2,6 Prozent Zinsen für Kredite. Berlins guter Stand trotz Schuldenberg ist vor allem Folge des Föderalismusprinzips. Ratingagenturen wie Anleger kennen die in der Verfassung vorgesehene „Bundestreue“ genau: Würde etwa Berlin finanziell kollabieren, müssten Bund und andere Länder beistehen. SEBASTIAN PUSCHNER