Zentralbank erhöht Leitzins: Türkische Lira erholt sich

Der neue Notenbankchef widersetzt sich Präsident Erdogan und erhöht den Leitzins. Umgehend zieht die türkische Währung an.

Eine frau hält in einer Wechselstube in Ankara Dollar und Türkische Lira Geldscheine in der Hand.

Nach Leitzinsehöhung: Die türkische Lira legt gegenüber dem Dollar um 2% zu Foto: Tunahan Turhan/imago

ISTANBUL taz | Der seit zwei Jahren anhaltende Währungsverfall der türkischen Lira scheint erst einmal gestoppt. Nach einer am Donnerstagmittag von der türkischen Zentralbank verkündeten Erhöhung des Leitzinses um knapp 5 Prozent legte die türkische Lira gegenüber Dollar und Euro sofort um 2 Prozent zu und kostet jetzt erstmals seit Monaten wieder weniger als 9 Lira für einen Euro.

Die Trendwende für die Lira hatte bereits vor zehn Tagen begonnen, als Präsident Recep Tayyip Erdogan seinen Finanzminister und Schwiegersohn Berat Albayrak vor die Tür setzte und sowohl Finanzministerium wie auch die Leitung der Zentralbank neu besetzte. Seitdem hat die Lira mit der Zinserhöhung insgesamt wieder rund 8 Prozent an Wert zugelegt.

Der neue Notenbankchef Naci Agbal hat sich mit der Zinserhöhung über die Mahnung von Präsident Erdogan hinweggesetzt, der noch am Mittwoch gesagt hatte, er sei gegen eine Zinserhöhung, weil dann türkische Unternehmen weniger investieren und weniger Arbeitsplätze schaffen würden.

Seit Jahren hatte Erdogan mit seiner erklärten Gegnerschaft von Zinsen mit dafür gesorgt, dass Investoren ihr Geld aus der Türkei abzogen und die türkische Währung dadurch auf eine lang anhaltende Talfahrt schickten. Um den Lira-Absturz auch ohne Zinserhöhungen abzubremsen, hatten Finanzminister Albayrak und der frühere Notenbankchef Murat Uysal fast 120 Milliarden Dollar an Devisenreserven verbrannt, ohne den Abwärtstrend stoppen zu können.

Türkische Unternehmen investieren nicht

Jetzt ist die Zentralbank pleite und die türkischen Unternehmen investieren dennoch nicht, weil viele von ihnen Milliarden Schulden in Dollar begleichen müssen. Diese konnten sie immer schwerer aufbringen, solange die Lira an Wert verlor. Das Ergebnis waren Firmenpleiten und eine hohe Inflation, die vor allem für die ärmere Bevölkerung das Leben immer teurer machte. Als die Zustimmungswerte für Erdogan daraufhin stark zurückgingen, ordnete er einen Wechsel in der Finanzpolitik an – und opferte dafür seinen Schwiegersohn, der eigentlich einmal hatte sein Erbe antreten sollen.

Erdogans Aufstieg als Alleinherrscher in der Türkei ist eng damit verknüpft, dass es ihm und seinen früheren Wirtschafts- und Finanzministern in den ersten Jahren der Regierung der AKP von 2002 bis 2012 gelungen war, das Bruttosozialprodukt der Türkei nahezu zu verdreifachen. Damit erhöhte er den Wohlstand in der Bevölkerung fühlbar. Davon ist nach diversen Krisen seit 2013 nicht mehr viel zu spüren.

Je mehr Erdogan seine autokratische Herrschaft etablierte, umso mehr stagnierte die Wirtschaftsentwicklung – und ging zuletzt sogar stark zurück. Die meisten Beobachter sind deshalb auch der Meinung, dass eine Zinswende allein nicht reicht, um wieder auf Wachstumskurs zu kommen. Ohne eine Rückkehr zu einer unabhängigen Justiz und einer unabhängigen Zentralbank, so Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu, werde sich an der grundlegenden Misere nichts ändern.

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