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Hallo, neuer Mieter!

Verletzungen und Vielspielerei gehen auch am FC Bayern nicht spurlos vorbei. Die Münchner verlieren gegen Bremen zwei Punkte

Aus München Elisabeth Schlammerl

Auf dem Fußballplatz ist es manchmal wie in einem Mehrfamilienhaus. An neue Nachbarn muss man sich erst gewöhnen. Thomas Müller hat beim FC Bayern Erfahrung mit verschiedenen Nebenleuten, weil er ewig dabei ist und zudem ein ganz eigenes Verständnis vom Positionsspiel hat. Am Samstag nun tauchte ein Neuling an seiner Seite auf, einer, den er zwar kennt, Jamal Musiala gehört seit dieser Saison zum Profikader und hatte auch schon ein paar Einsätze, aber eben nicht als Startelf-Partner in der Mittelfeldzentrale.

Müller hätte gern Nachbarschaftshilfe geleistet, so wie es sich gehört für Alteingesessene. Doch der talentierte Jungspund beachtete den Kollegen nicht, tat manchmal, als sei Müller gar nicht da. Es ist einerseits ein gutes Zeichen, dass da einer ist, der schon mit 17 Jahren Verantwortung übernehmen will, aber andererseits agierte Musiala doch zu übereifrig. Es wäre ein paarmal besser gewesen, sich an Müller zu wenden, statt sich im Dickicht der gut geordneten Bremer Defensive zu verheddern.

Am 17-Jährigen lag es aber nicht, dass die Münchner am Samstag zum ersten Mal seit mehr als neun Monaten wieder Punkte abgegeben hat, dass jenes Werder, das zuvor 19-mal in Serie in der Liga von den Bayern besiegt worden war, dem Tabellenführer ein verdientes 1:1 abtrotzen konnte. Aber es zeigt, dass auch der Triple-Gewinner nicht gefeit ist vor Problemen. Schnell fällt der Name Joshua Kimmich, wenn es darum geht, zu ergründen, warum die Bayern gegen Bremen kaum Großchancen kreieren konnten, warum Robert Lewandowski so wenig Ballkontakte hatte und das Umschaltspiel des Gegners so gut klappte.

Der defensive Mittelfeldspieler fehlt den Münchnern, denn „Joshua“, sagte Hansi Flick nach seinem 50. Spiel als Bayern-Cheftrainer, „wird immer fehlen“. Aber allein am Ausfall des defensiven Mittelfeldspielers sind die Münchner Probleme nicht festzumachen. Als Kimmich vor der Länderspielpause durch Corentin Tolisso positionsgetreu ersetzt wurde, blieb zumindest die Statik erhalten. Gegen Bremen fiel aber auch der Franzose wegen muskulärer Probleme aus. Außerdem waren da noch die Löw-Sorgenkinder, von denen niemand so genau wusste, wie sie die 0:6-Dresche von Sevilla verkraftet haben würden, mental, aber auch körperlich. Und schließlich musste auch noch Lucas Hernández nach einer guten Viertelstunde ausgewechselt werden, wegen einer Beckenverletzung. Sein Einsatz am Mittwoch im Champions-League-Spiel gegen Salzburg ist gefährdet.

Die Bayern sind im Kampfmodus, weniger im Spiellaune-Modus

Brachial-Rotation hat sich selten bewährt, aber Flick bleibt im Moment gar nichts anderes übrig. Zu viele Spiele, und schon zu viele Verletzte. „Wir haben genügend Spieler“, sagte der Bayern-Trainer. Auch jene, die am Samstag in der Startelf standen, ist er sicher, „haben die Qualität, um auch Bremen zu schlagen“. Oder am Mittwoch Salzburg. Aber nicht mit der Leichtigkeit eines Triple-Siegers. Die Bayern sind derzeit im Kampfmodus, weniger im Spiellaune-Modus. Flicks Lob für Goretzka („sehr präsent“), der nach seiner Einwechslung die für ihn nicht ganz gewohnte Sechserposition übernehmen musste, klang allerdings ein bisschen nach Therapie. Der Nationalspieler verhinderte mit einer Grätsche ein Gegentor, bereitete Kingsley Comans Ausgleich vor und gewann deutlich mehr Zweikämpfe als am Dienstag gegen Spanien, was bekanntlich nicht allzu schwer war.

Das Gerüst der Bayern wackelt im Moment ein wenig, weil zu viel improvisiert werden muss. Mit Neuer im Tor, Boateng in der Innenverteidigung, Müller im Mittelfeld und vorne Lewandowski sind zwar Stabilisatoren übrig, aber der Rest wurde verschoben, wie eben Goretzka und Alaba (zurück auf die Linksverteidigerposition), innerhalb des Teams oder auf die Bank. Gut möglich, dass sich Müller in den Spielen bis Weihnachten noch an ein paar neue Nachbarn gewöhnen muss.

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