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Knistern im Ensemble

Auch der missglückte Vertragspoker von David Alaba bringt den FC Bayern nicht aus dem Tritt. Im Gegenteil: Die Roten brauchen ein gewisses Reizklima

Demonstrative Eintracht: David Alaba liebkost Keeper Manuel Neuer Foto: reuters

Aus München Elisabeth Schlammerl

Thomas Müller hat noch immer dieses Lausbubengrinsen im Gesicht, obwohl er längst dem Lausbubenalter entwachsen ist. Man sieht und merkt es ihm nicht an, aber er gehört zu den Älteren im Team des FC Bayern – und wenn er von früher spricht, dann klingt das tatsächlich oft nach Episoden aus grauer Vorzeit.

Im Moment unternehmen die so formstarken Münchner Bayern tatsächlich wieder Ausflüge zurück in die Vergangenheit. Nicht sportlich, da endete auch das dritte Gruppenspiel der Champions League am Dienstag gegen RB Salzburg so wie die letzten 13 Partien in der Königsklasse: Mit einem Sieg – wenngleich die Rekord-Bayern beim 6:2 lange Zeit ein paar Probleme mit den aufmüpfigen Österreichern hatten.

Es geht vielmehr um das, was derzeit jenseits des Platzes passiert, die Vertragsposse um David Alaba, das verbale öffentliche Scharmützel, das sich beide Seiten seit ein paar Tagen liefern. Da erinnert sich der ältere Müller an seine Jugend, als bei Bayern öfter einmal das Geschehen jenseits des Rasens die Schlagzeilen dominierten. Er habe das früher auch „ganz gerne gelesen, wenn es hieß: FC Hollywood“, sagte er. Tatsächlich war der Erfolg in Salzburg nur ein Randaspekt, zumal Sportvorstand Hasan Salihamidžić unmittelbar vor Anpfiff in Salzburg die Auseinandersetzung noch einmal befeuert hatte. „Im Leben und im Fußball soll man niemals nie sagen“, erklärte er im Bezahlfernsehsender Sky. Aber er wisse nicht, „wie wir noch zusammenfinden sollen“, also der Verein und Alaba, nachdem Spieler samt Management die Frist, das Angebot der Bayern anzunehmen, haben verstreichen lassen.

Am Tag zuvor hatte Alaba selbst seine Sicht der Dinge erklärt, die eine andere ist als die der Klub-Verantwortlichen und den Schluss zulässt, dass sich beide mit der Trennung am Saisonende abgefunden haben. „Jetzt müssen wir uns damit beschäftigen, dass uns David verlassen wird“, sagte Salihamidžić ohne große Spur von Bedauern.

Es gehörte ja viele Jahre zu den Gepflogenheiten des FC Bayern, ganz bewusst für Schlagzeilen jenseits des Platzes zu sorgen, wenn sportlich ­einiges im Argen lag. Gerne auch einmal als Einstimmung auf Spiele gegen den ewigen Rivalen Borussia Dortmund. Und oft ging der Plan ja auch auf, der Wirbel half mehr, als dass er schadete. Dieses Mal gibt es für ein Ablenkungsmanöver keinen Grund vor dem Bundesliga-Gipfeltreffen mit dem BVB am Samstag, denn es läuft ja ohnehin ziemlich nach Plan, wenngleich nicht immer auf Anhieb und ganz rund wie zuletzt in Moskau, Köln und nun auch in Salzburg, wo eine fulminante Schlussoffensive mit vier Toren und etwas mehr als zehn Minuten für den Sieg gegen die lange ebenbürtigen Österreicher gesorgt hat.

„Jetzt müssen wir uns damit beschäftigen, dass uns David verlassen wird“

Hasan Salihamidzic, Bayerns Sportvorstand

Der Zeitpunkt der öffentlichen Diskussion um einen Leistungsträger ist jedenfalls ziemlich unglücklich gewählt, und den hat nicht Alaba, sondern der Verein ausgesucht. Es bleibt vorerst das Geheimnis von Präsident Herbert Hainer, warum er mit seiner Aussage, dass das Vertragsangebot zurückgezogen wurde, nicht bis nach dem Dortmund-Spiel gewartet hat, bis zur Länderspielpause, in der sich für Hansi Flick so ein Thema etwas leichter hätte moderieren lassen.

Der Trainer muss als Angestellter des Vereins die Entscheidung der Chefs mittragen einerseits, aber andererseits versuchen, Störfeuer von seinem intakten Team fernzuhalten. „Mir ist es wichtig, dass wir Ruhe in der Mannschaft haben“, betonte der Bayern-Trainer deshalb noch einmal. Alles andere zum Thema Alaba sei bereits gesagt, fand er – und gab lediglich noch Auskunft, wie es um die sportliche Leistung seines Abwehrchefs und dessen Einstellung steht. Alaba habe „zu 100 Prozent“ alles gegeben, so wie der Trainer das auch erwartet habe, weil er „ein Topspieler“ und „ein toller Mensch“ sei. Unterstützung gab es auch von Abwehrkollege Jérôme Boateng. „Das ist für ihn keine einfache Situation, aber er hat es souverän gemacht“, sagte der Weltmeister von 2014 und fügte hinzu: „Wir stehen hinter ihm.“

Es blieb offen, ob Jérôme Boateng damit nur das rein Sportliche beim gemeinsamen Job auf dem Platz meinte oder auch den Vertrags-Disput mit dem Verein. Weniger Interpreta­tionsspielraum ließ Müllers etwas unverkrampftere Auseinandersetzung mit dem Ballyhoo um den Kollegen zu. „Es ist doch schön, wenn es knistert“, sagte er. Und grinste wieder wie ein Lausbub.

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