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Archiv-Artikel

Wie wär’s mit Weißbier?

„Moralisch wie ökonomisch ein schlechter Deal“: WDR-Intendant Fritz Pleitgen hat sich in einer Fernsehsendung Zuschauerfragen zur Schleichwerbeaffäre gestellt

Mr. Schleichwerbung. Bislang gab es noch kein Gesicht zur größten Krise, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk wohl je erlebt hat. Insoweit war die kurzfristige Entscheidung von WDR-Intendant Fritz Pleitgen, sich am Donnerstagabend um 20.45 Uhr im eigenen Fernsehprogramm Zuschauerfragen zur Schleichwerbeaffäre zu stellen, ein mutiger Schritt.

Dennoch bleiben einige Fragen offen. Warum hat das ganze nicht im ARD-Hauptprogramm stattgefunden – mit Thomas Gruber, dem Vorsitzenden der ARD-Intendantenkonferenz, und Programmdirektor Günther Struve? WDR-Beteiligung an der hauptverantworlichen Bavaria hin und her: Alle beanstandeten Sendungen liefen im Ersten. Warum nicht dort aufklären, wo der Schaden tatsächlich entstanden ist? Und warum fällt es Fritz Pleitgen so schwer, uneingeschränkt Verantwortung für die Verfehlungen zu übernehmen? Als „moralisch wie ökonomisch schlechten Deal“ bezeichnete der Intendant einmal im Verlauf der Sendung die gekauften Dialoge und Kulissen – als wenn eine moralische Verurteilung nicht schon reichen würde.

So halbherzig und auf Nebenschauplätze irreführend ging es weiter. Vor allem im Umgang mit dem zweiten Studiogast, dem Journalisten Volker Lilienthal, der die Affäre mit seiner Enthüllung um gekaufte „Marienhof“-Drehbücher ins Rollen gebracht hatte, offenbarte sich Pleitgens seltsame Strategie, die Dinge wohl doch nicht so ernst zu nehmen: Einmal bedankte er sich bei Lilienthal für dessen Enthüllungen, im nächsten Moment griff er ihn beiläufig an, weil sich nicht alle seiner Vorwürfe bewahrheitet hätten. Geradlinigkeit sieht anders aus. Uneingeschränktes Verantwortungsbewusstsein sowieso.

Eine bessere Figur als sein Intendant machte immerhin der WDR. Er stemmte eine informative Sendung, die von Bettina Böttinger anfangs etwas fahrig, dann zunehmend souveräner moderiert wurde. Vor allem ein kurzer Einspielfilm, der am Anfang der Sendung die Affäre noch einmal zusammenfasste, erwies sich als beeindruckend. Nicht nur wurden dort die Vorwürfe gegen die ARD-Anstalten und die betroffenen Produktionsfirmen klar und deutlich ausgesprochen, auch beanstandete Szenen aus „Marienhof“ und Co wurden gezeigt. Nachgerade wirken die unfassbar plump – etwa wenn im Münsteraner „Tatort“ Jan Josef Liefers als versnobter Pathologieprofessor mit einer Vorliebe für exklusiven Wein plötzlich durch die Kneipe ruft: „Wie wär’s mit einem Weißbier?“ Im WDR ist nach Darstellung von Pleitgen daran niemandem etwas aufgefallen. Aber hat eigentlich schon mal jemand Jan Josef Liefers gefragt?

HANNAH PILARCZYK