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Archiv-Artikel

„Wir finden das ziemlich mutig“

SOLIDARITÄT Die Punkrocker von Radio Havanna spielen heute Abend auf einem Soli-Konzert für die Punkrockerinnen von Pussy Riot. Die sitzen gerade im Moskauer Knast

INTERVIEW SUSANNE MESSMER

taz: Warum engagieren Sie sich für die Band Pussy Riot?

Arni: Wir finden es ganz schön mutig, sich in Russland so weit aus dem Fenster zu hängen. Da macht politischer Protest noch richtig Sinn. Man muss sich das mal vorstellen: Wenn hier jemand im Minirock in die Kirche gehen und ein „Punk-Gebet“ gegen Angela Merkel aufsagen würde, das würde doch keinen jucken. Es würde wahrscheinlich nicht einmal die Aufmerksamkeit der Medien auf sich ziehen.

Wie kam es zu dem Benefiz-Konzert für Pussy Riot?

Olli: Das ging vor allem von Justin Sane aus, dem Sänger von Anti-Flag, die mit uns auftreten. Wir kennen ihn schon länger, er singt bei einem der Songs auf unserem neuen Album mit. Wir machen uns schon lang für die Meinungsfreiheit stark. Und jetzt betrifft es sogar eine Punkband.

Gibt es einen Zusammenhalt der Punk-Community – dass man zusammen für etwas auf die Barrikaden geht?

Arni: Hier in Deutschland gibt es das noch viel zu wenig, aber in Amerika hat das lange Tradition. Anti-Flag haben sich zum Beispiel schon vor mehr als zehn Jahren gegen Bush und den Irakkrieg starkgemacht. 2011 unterstützten sie Occupy Wall Street.

Woher kommt Ihr Engagement?

Das ist ganz einfach: Wir kommen aus Suhl in Thüringen. Da hat man als Punk gar keine Wahl, als politisch zu werden. Da gibt es große Probleme mit Nazis.

Fichte: Ich bin da eine Zeit lang jedes Wochenende verprügelt worden. Ich hatte sogar einen Nazi in meiner Klasse. Der war unter der Woche ganz friedlich, aber wenn man sich am Wochenende traf, ist der gleich auf einen los.

Arni: In der thüringischen Provinz gibt es sehr viele Nazis. Auf den Dörfern ist es oft ganz normal, wenn man Nazi wird, weil es sonst keine anderen Angebote gibt. Die Nazis kriegen dort auch zu wenige Probleme. Denn ihre politischen Inhalte finden dort schon eine große Mehrheit. Als wir uns vor zehn Jahren gegründet haben, haben wir vor allem Konzerte gegen Nazis gespielt.

Und heute?

Arni: Seit wir in Berlin wohnen, engagieren wir uns nicht mehr nur gegen Nazis. 2010 nahmen wir am Oxfam Trailwalk teil und sind 100 Kilometer durch den Harz gelaufen. 2011 haben wir mit Jim Lindberg, dem Frontmann von Pennywise, einen Benefiz-Song für eine Stiftung aufgenommen. Skate Aid ist eine Entwicklungsinitiative von einem Skateboarder aus Münster. Er hat zum Beispiel mit Jugendlichen in Afghanistan gearbeitet.

Was wollen Sie mit dem Benefiz-Konzert erreichen?

Wir hoffen, dass die Öffentlichkeit stärker aufmerksam wird. Aber erst mal gehen die Einnahmen an die Band. Die können das gerade gut gebrauchen.

■ Um 19 Uhr spielen Anti-Flag sowie die Berliner Bands Radio Havanna und Smile&Burn im Cassiopeia. Die Einnahmen der bereits ausverkauften Show kommen der russischen Band Pussy Riot zugute. Ihnen wird vorgeworfen, Ende Februar halbnackt die Kanzel der Moskauer Erlöserkirche gestürmt und Anti-Putin-Parolen skandiert zu haben. Ihnen drohen bis zu sieben Jahre Haft.

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