action-selbstmord : Altes Motiv, neue Ziele
Es war eine ebenso erwartbare wie auch verfehlte Debatte, die nach dem mutmaßlichen Selbstmord eines Hobbypiloten aus Erkner losgetreten wurde. Sperrt den Luftraum über dem Regierungsviertel, mischte sich Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) ein. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) konterte: Selbst wenn der Luftraum gesperrt wäre, würde dies eine solche Tat nicht verhindern. Darüber hinaus, beruhigte Körting, habe es sich bei dem Vorfall nicht um einen terroristischen Anschlag gehandelt.
KOMMENTAR VON UWE RADA
Was damit nicht beantwortet wurde, ist die andere, umso wichtigere Frage, die der Todesflug am Reichstag aufwirft. Wie geht eine Stadt, wie gehen die Sicherheitskräfte mit einem womöglich neuen Täterbild um, das man so beschreiben könnte: Wenn schon Selbstmord, dann mit möglichst viel Effekt, Tote und Verletzte inbegriffen. Der Vorfall vom Freitag hat gezeigt: Der Übergang zwischen Selbstmord und Selbstmordanschlag kann fließend sein.
Natürlich sind das, was die Motive des Volker K. betrifft, nur Vermutungen. Gleichwohl sollte man sich mit falschen Beruhigungen nicht zufrieden geben. Die mediale Präsenz des islamistischen Terrors, die uns umgibt, die Hilflosigkeit im Schutz von „weichen“ Anschlagszielen, das Staunen über Normalbürger, die zu Mördern werden – all das schafft eine Aufmerksamkeit, in die hinein sich auch ein Selbstmord platzieren lässt.
Deutschland, hieß es nach den Anschlägen von London, darf sich nicht sicher sein. Das gilt nicht nur für Terroristen, sondern auch für Action-Selbstmörder. Umgekehrt könnte das heißen: Etwas weniger Aufgeregtheit bei den Sicherheitsdebatten kann dazu beitragen, dass nicht jeder Lebensmüde meint, in die Geschichte eingehen zu müssen.