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Profis dringend gesucht

Wer Fachkräfte will, muss mehr ausbilden, mahnt Arbeitssenatorin Breitenbach die Unternehmen bei der Vorstellung des Berliner Betriebspanels 2019

Von Susanne Memarnia

Der Mangel an Fachkräften ist und bleibt ein zentrales Thema für Berlins Wirtschaft. Das ist eine zentrale Erkenntnis aus dem Berliner Betriebspanel 2019, dass am Montag von Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (Linkspartei) und Marek Frei vom Institut für Sozialökonomische Strukturanalysen (Söstra) vorgestellt wurde. „Fachkräfte finden und Stellen besetzen bleibt auch in Pandemiezeiten ein Problem für Branchen, die nach dem Einbruch vom Frühjahr wieder hochfahren wollen“, sagte Breitenbach. Die Unternehmensbefragung in der zweiten Hälfte 2019, also noch vor Corona, sei daher mitnichten „aus der Zeit gefallen. Es geht dabei immer um mittel- bis langfristige Entwicklungen.“

Seit 1996 wird im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit bundesweit eine repräsentative Zahl von Unternehmen befragt, Söstra generiert daraus Daten für Berlin. Vor Corona, betonte Frei, sei die Berliner Wirtschaft in einem „sehr guten Zustand“ gewesen. Seit 2010 sei die Zahl der Betriebe um 18 Prozent gestiegen (bundesweit plus 5), die der Beschäftigten sogar um 35 Prozent (bundesweit plus 19).

Sprich: in zehn Jahren seien in der Hauptstadt rund 400.000 neue sozialversicherungspflichtige Jobs entstanden. Die dadurch gestiegene Nachfrage an Fachkräften kann laut Panel aber immer weniger befriedigt werden, 39 Prozent der offenen Stellen blieben 2019 unbesetzt (2005: 18 Prozent).

„Es gibt einen Widerspruch bei den Unternehmen“, so Breitenbach. Einerseits klagten sie über fehlende Facharbeiter, andererseits „zeigen sie wenig Engagement, welche auszubilden“. Laut Panel bilden 49 Prozent der Betriebe mit Ausbildungsberechtigung aus, das sind 23 Prozent aller Betriebe der Stadt. Die Schere zwischen der Zahl der Lehrstellen und der Nachfrage durch Jugendliche ist laut Breitenbach durch Corona noch größer geworden. Das Land versuche das durch eine Verdoppelung beim Berliner Ausbildungsplatzprogramm um 500 Plätze abzumildern. Man erwarte aber auch von landeseigenen Betrieben, dass sie ein gutes Vorbild abgeben. Für 2020 plante das Land Berlin 4.228 Ausbildungsplätze. Coronabedingt sind es nur fünf Lehrstellen mehr. Das fand Breitenbach enttäuschend.

Über Bundesschnitt liegt Berlin auch bei der atypischen Beschäftigung, es gibt hier mehr Teilzeit (22 Prozent gegenüber 18 Prozent) und mehr befristete Arbeit (12 versus 7). Mehr Berliner Betriebe (57 Prozent) beteiligen sich an der Weiterbildung ihrer MitarbeiterInnen (2005: 39). Und auch der Abwärtstrend bei der Tarifbindung scheint gestoppt (gilt in 19 Prozent der Betriebe, 2018: 18). Das seien aber immer noch „beschämend wenig“, findet Breitenbach. Aber womöglich würden Arbeitgeber ja langsam merken, dass man bessere Arbeitsbedingungen schaffen muss, wenn man Fachkräfte braucht.

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