Ärzte ohne elitäre Sonderposition

betr.: „Der Charité steht ein heißer Sommer bevor“, taz vom 15. 7. 05

Sie schreiben in Ihrem Artikel: „… obwohl es unter Ärzten die Einstellung gibt, sie seien die wahren Leistungsträger in den Hospitälern.“ Dies klingt, als ob die Ärzte eine elitäre Sonderposition vertreten. Sicher ist richtig, dass ein Krankenhaus ohne Verwaltung nicht funktioniert, aber ein Krankenhaus ohne Ärzte kein Krankenhaus ist. Selbstverständlich würdigen und respektieren wir Ärzte die Leistungen der anderen Berufsgruppen genauso, und das verstaubte Bild arroganter Weißkittel, die die KrankenpflegerInnen von oben herab behandeln, ist längst einem überwiegend partnerschaftlichen Miteinander gewichen.

Die Kernleistungen – in der Hochschulmedizin Heilen, Forschen, Lehren – fallen jedoch in der Tat in das Aufgabengebiet der Ärzte. Erstaunlich ist nicht, dass wir diese Tatsache wieder ins Gedächtnis rufen. Erstaunlich ist, dass sie in den vergangenen Jahrzehnten unter dem Eindruck der vermeintlichen „Ärzteschwemme“ so weit in Vergessenheit geraten ist, dass die Klinikärzte in Deutschland von der übrigen Arbeitszeit- und Einkommensentwicklung de facto abgekoppelt wurden. So zeigte eine Studie im Auftrag des britischen National Health Service, dass die Einkommen der Ärzte in Deutschland unter den westlichen Industrienationen die niedrigsten sind. Dies hat kurzfristig ein bezahlbares Gesundheitswesen auf Kosten der Ärzte ermöglicht, inzwischen führt es zu einer Abwanderung in das Ausland oder aus dem Arztberuf und damit langfristig zu der Zerstörung eines sozial ausgerichteten Gesundheitssystems zugunsten einer Zweiklassenmedizin mit einem unzureichenden öffentlichen und einem profitablen privaten Zweig. Der auf dem Weg dahin entstandene Verlust wesentlicher Standortfaktoren in Wissenschaft, Dienstleistungssektor und Lebensstandard wird etwaige Einsparungen an öffentlichen Beiträgen weit überwiegen.

DR. P. MARKUS DECKERT, Berlin