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Vampire? Arme Tiere!

Foto: Marco Sim oni/Laif

Fledermäuse haben ein PR-Problem. Im Film müssen sie für den billigen Schockmoment herhalten, sobald jemand eine Höhle betritt. Als Vampir haben sie es zum Grusel-Hauptdarsteller gebracht, aber den Höhepunkt des Horrors stellen sie für jeden Bauherrn dar, wenn sie im Objekt seiner Begierde ihr Schlafquartier aufgeschlagen haben. Wenn Christian Lindner kleinen Kindern Angst machen will, erzählt er ihnen nicht von Gespenstern, sondern von der Kleinen Hufeisennase.

Und jetzt kommt auch noch Corona! Das tückische Virus stammt vermutlich ursprünglich von Fledertieren. Nachdem sie in der Vergangenheit schon erfolgreich die Dresdner Waldschlösschenbrücke und die A20 in Schleswig-Holstein aufgehalten haben, ist ihnen nun der ganz große Coup gelungen: der monatelange Stillstand weiter Teile der Welt. Da können Bill Gates und die Reptilienmenschen nur staunen.

Eigentlich aber haben Fledermäuse mehr Grund, sich vor dem Menschen zu fürchten, als umgekehrt. Zahlreiche Arten sind bedroht. Lebensraumzerstörung und Klimawandel setzen ihnen zu, häufig landen sie in der Suppe oder auf dem Grill – es ist ja nicht so, dass sie ihre Viren freiwillig verstreuen. Die 25 in Deutschland heimischen Arten plagen sich mit einer Wohnungsnot herum, weil alte Bäume und Gebäude verschwinden, zudem werden sie ausgehungert, da ihre Leib- und Magen-, eigentlich ihre einzige Speise, Insekten und andere Wirbellose, knapper werden.

Dabei verdienen Fledermäuse unsere uneingeschränkte Sympathie. Sie sind angenehm lautlos. Die Töne, die sie ausstoßen, sind für das menschliche Ohr nicht hörbar. Daran könnten sich Nachbars Hund, Helene Fischer und Diether Dehm mal ein Beispiel nehmen! Sie sind elegant-sportliche Flugkünstler, ohne mit Fitness-Terror zu nerven. Jetzt gerade fressen sie sich schön moppelig und legen um 20 bis 30 Prozent Körpergewicht zu, ohne sich im Geringsten von irgendwelchen Gesundheitsfanatikern stören zu lassen. Dann schlafen sie erst mal ordentlich aus: ein glattes halbes Jahr lang. Einfach mal Ruhe geben – das kann es ganz vorzüglich, dieses vorbildhafte, zudem auch noch ausnehmend putzige Wesen.

Um diese Vorzüge zu preisen und auf ihre Bedrohung aufmerksam zu machen, wird an diesem Wochenende die 24. Europäische Fledermausnacht begangen. Die zentrale Festveranstaltung der Batnight muss allerdings ausfallen – wegen Corona. Vielleicht lernen wir daraus ja, den Fledermäusen nicht mehr zu sehr auf den Pelz zu rücken. Heiko Werning

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