Pankows neue Meile

SANIERUNG Die Berliner Straße hat ein neues Outfit: Sie wurde zur fahrradfreundlichen Einkaufsstraße. Ob sie Pankows künftiges Zentrum wird, hängt jedoch auch von der Zukunft des ehemaligen Güterbahnhofs ab

„Niedrigpreisiges wird es hier irgendwann nicht mehr geben“

JENS-HOLGER KIRCHNER, STADTRAT

VON UWE RADA

Ein bisschen Vorfreude ist schon da. „Wir feiern die neue Berliner Straße“, heißt es im Ladenfenster eines kirchlichen Begegnungszentrums. Am 25. August, einem Samstag, sollen die Pankower sehen, was aus ihrer sanierungsbedürftigen Hauptstraße nach drei Jahren Umbauzeit geworden ist. Klar ist es schon heute: eine Straße, in der Fahrradfahrer und Fußgänger nicht mehr an den Rand gedrängt werden. „Die Berliner Straße ist auch für den Einzelhandel attraktiver geworden“, freut sich Jens Holger Kirchner, grüner Stadtrat für Stadtentwicklung in Pankow.

Das war nicht immer so in Pankows ältester Straße, die einst die Verbindung war zwischen dem Stadtschloss in Mitte und dem Schloss Schönhausen in Pankow. Auch das sieht man noch: Kurz bevor die Berliner Straße an der Breiten Straße endet, dem Dorfanger von Pankow, verbreiten Flachbauten mit Imbissen und Autohäuser Vorstadtcharme. Daran soll sich so schnell auch nichts ändern, sagt Christina Hilbig vom Autohaus Fair KFZ in der Berliner Straße 129. „Wir haben das Grundstück erst 2006 gekauft.“ Stadtrat Kirchner dagegen meint, dass Autohäuser in der Berliner Straße „irgendwann einmal Geschichte sind“ – weil sie nicht in die Innenstadt gehören.

Ein bisschen Vorfreude gab es auch in der Berliner Straße 11. Mit dem Picknick öffnete erstmals ein Café in der Straße. Das war 2010. „Die große Hoffnung war die Hochschule für Schauspiel Ernst Busch“, sagte damals Inhaberin Kerstin Stange. Die Hochschule, verteilt auf mehrere Standorte, sollte gegenüber in der Garbáty Fabrik einen neuen Campus bekommen. Nun gibt es dort teure Lofts. Ins Café Picknick gingen die neuen Pankower nicht, ein neuer Inhaber versucht sich nun mit Bubble-Tea. Es scheint, als wüsste die Berliner Straße noch immer nicht, ob die Zukunft jung wird und trendig à la Prenzlauer Berg oder alt und spießig à la Bernau am Endhaltepunkt der S 2.

Stadtrat Kirchner ist gegen Bernau: „Der Umbau der Straße wird auch im Umfeld weitere Aufwertungen nach sich ziehen“, ist er sich sicher. Vor dem Parkplatz vor der Garbáty Fabrik schweben ihm zwei Kopfbauten vor, hochwertiger Wohnungsbau natürlich. Da ist die Nachfrage groß im ruhigen Pankow, wenn erst der Flughafen in Tegel dicht ist. Selbst die Baulücke an der Breiten Straße ist kein Tabu, obwohl da rund um denTröpfchenbrunnen ein öffentlicher Raum entstanden ist. „Das ist eine Abwägung“, sagt Kirchner – und umreißt seine Zukunft der Berliner Straße: „All das Niedrigpreisige wird früher oder später nicht mehr hier sein.“

Der Umbruch in Pankow trägt nicht nur den Namen Berliner Straße. Gleich am S-Bahnhof steht die Infobox des Möbelriesen Kurt Krieger. Ein Pankower Tor soll hier bald entstehen, ein zweites Zentrum auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs, das bis zum Bahnhof Pankow-Heinersdorf reicht. Lange Zeit gab es Streit darüber, ob die Shoppingmall, die Krieger will, an die Berliner Straße grenzen soll oder ans andere Ende des Geländes verbannt wird. Nun scheint ein Kompromiss in Sicht. „Das Einkaufen wird sich auf dem Gelände entlangziehen. Das wird etwas ganz Neues“, schwärmt Kirchner, dessen grüne Partei lange gegen Krieger mobilgemacht hat. Am 6. August wird es die Auftaktveranstaltung für einen Wettbewerb geben. „Einen Tag später wird dann ein städtebaulicher Vertrag unterzeichnet“, so der Stadtrat.

Hochwertiges Einkaufen

Pankows älteste Straße verband das Stadtschloss mit dem Schloss Schönhausen

Was dieses neue Zentrum für die Berliner Straße bedeutet, ist offen. Manche befürchten, dass die bisherige Einzelhandelsstruktur kaputtgeht. Andere wiederum wünschen sich das. „Hier muss hochwertiges Einkaufen rein, so wie in der Kollwitzstraße“, meint eine Anwohnerin, die ihren Namen nicht nennen mag. So sieht das auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Im Stadtentwicklungsplan Zentren ist geklärt, dass wir den Einzelhandel auf die Stadtteilzentren konzentrieren wollen“, sagt Senator Michael Müller (SPD). Der Bezirk hatte dagegen lange für eine Konzentration am Bahnhof Pankow Heinersdorf plädiert. Dann, so das Argument, würde nicht so viel Verkehr in der Pankower City entstehen.

Nicht ganz so optimistisch ist Lutz Vetter. Seit einigen Monaten betreibt der Exkreuzberger und Neu-Pankower das Café Milchmanns an der Ecke Hadlichstraße. „Der Umbau hat überhaupt nichts geändert“, ärgert er sich. „Die Berliner Straße will das Zentrum von Pankow sein. Doch da ist in jedem Dorf mehr los.“ Als Einkaufsstraße sieht er die Berliner Straße jedenfalls nicht. „Die meisten Geschäfte machen um 13 Uhr zu. Ich gehe da jedenfalls nicht einkaufen.“

Überhaupt treibt Vetter die Sorge um, dass Pankow zur Schlafstadt wird. „Die Leute gehen in Prenzlauer Berg aus, und in Pankow wollen sie ihre Ruhe haben.“ Im Milchmanns hoffen sie deshalb auf Kriegers neuen Stadtteil – und junges Publikum. „Wenn sie um die Ecke ins Rathaus-Center gehen, wissen sie, dass Pankow nach wie vor ein Altersheim ist.“