Spekulantentraum

„1 km² Berlin“ im Radialsystem widmet sich dem Gebiet um die Benz-Arena

Von Thomas Mauch

Hier scheint Berlin irgendwie nicht so richtig bei sich, in diesem neuen Quartier gegenüber der East Side Gallery. Die Architektur in dem Entertainmentviertel an der Spree, ein Spiel mit Klötzchen und Klotzen, zwischen denen die Touristen, Stadt erwartend, noch mehr versuchsweise flanieren.

Man kann das aber auch so sehen, dass hier mit dem neuen Berlin die Stadt bei sich gerade ankommt. Die Straßen – man ist schließlich in Friedrichshain – geben sich politisch korrekt und sind nach Frauen benannt. Die Edit-Kiss-Straße erinnert sogar an die ungarische Bildhauerin, die aus dem KZ Ravensbrück zur Zwangsarbeit für Daimler-Benz verpflichtet wurde. Gleich daneben der Mercedes-Platz. Der heißt so, weil er vor der Mercedes-Benz-Arena liegt, die mal – fast vergessen, gar nicht lange her – O2-Arena hieß, bis sich ebender Autobauer die Namensrechte sicherte.

In dieses Berlin, das ja durchaus seine verführerischen Momente hat, kann man sich jetzt einkaufen, wenigstens virtuell, und dafür ist im Radialsystem ein Showroom eingerichtet, in dem Interessierte sich in einer Videoperformance über das besondere Stückchen Berlin informieren können.

„1 km² Berlin“ ist der Titel dieser Auseinandersetzung mit dem Ausverkauf der Stadt, eine Zusammenarbeit des an Raumfragen interessierten Kollektivs Guerilla Architects mit der Performerin Alicia Agustin. Erstere machten die Recherche, Agustin will sie „emotional erfahrbar machen“. Ambivalenzen ansprechen. Was dann schon mehr sein kann als die Lektüre eines Flugblatts.

Nur zwei Menschen werden jeweils bei der Performance eingelassen, fast so wie bei einem richtigen Verkaufsgespräch. Und beim zweiten Akt der dreiteiligen Reihe geht es mit „1 km² Berlin“ im Oktober dann über die Spree auf das gleichfalls umstrittene Kreuzberger Terrain rund um die Markthalle Neun.

1 km² Berlin: Radialsystem, Holzmarktstr. 33, 13.–16. August, 14–19 Uhr