piwik no script img

Steffen Grimberg Flimmern und RauschenEine Doku über den Corona-Ausbruch wird gesendet, eine andere nicht

Am Montagabend lief in unser ARD die Reportage „Der Zug der Seuche“ über den Ausbruch der Coronapandemie. Das wäre nicht weiter der Rede wert, wenn Mitte Juni nicht auf dem gleichen Sendeplatz der Film „Wuhan – Chronik eines Ausbruchs“ am Tag der Ausstrahlung aus dem Programm verschwunden wäre.

Beim verantwortlichen SWR hieß es damals, man habe gar nicht anders gekonnt, weil die Rechte am Filmmaterial nicht ausreichend geklärt waren. Nur zum Verständnis: Die Doku der Produktionsfirma Gebrüder Beetz war redaktionell abgenommen und hatte einen Sendeplatz in der „Story im Ersten“. Den kriegt man nicht eben mal so. Sondern viele kompetente Leute gucken drauf, prüfen so ziemlich alles, aber bei einem solchen Film nicht mal die Rechte? Seltsam. Doch der SWR bleibt dabei: „Das Thema ist für uns durch, wir machen da den Deckel drauf“, sagt Sprecher Wolfgang Utz.

Weil der Film überwiegend mit Material einer chinesischen Staats-TV-Firma arbeitet, war er von China-Korrespondent*innen massiv kritisiert worden. Da war der Film zwar noch gar nicht fertig und keiner hatte ihn gesehen. Vor allem die SZ suggerierte, der SWR gehe chinesischer Propaganda auf den Leim. „Das ist möglich“, sagte SWR-Justiziar Hermann Eicher auf die Frage des Fachdienstes epd medien, ob man gesendet hätte, wenn es nicht vorab die SZ-Kritik gegeben hätte. Das stinkt.

Die SZ hatte auch von Zoff zwischen SWR und NDR wegen der Beetz-Doku berichtet. Der NDR ist für das ARD-Studio Peking und die aktuelle China-Berichterstattung zuständig. NDR und WDR sind bei „Der Zug der Seuche“ federführend. Christine Adelhardt, heute stellvertretende Investigativ-Leiterin beim NDR, war bis 2015 Studioleiterin Peking und ist eine der Redakteurinnen des Films. Alle drei Medien bilden den „Rechercheverbund von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung“. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt. Zumal Adelhardt nach taz-Informationen vom Beetz-Film wusste und während der Recherchen auch Kontakt zu den Machern hatte.

„Wuhan – Chronik eines Ausbruchs“ war Journalisten von der ARD kurz vor dem Sendetermin zur Sichtung zur Verfügung gestellt worden. Vergleicht man jetzt beide Filme, fällt eine höchst unterschiedliche Haltung zu China auf. „Der Zug der Seuche“ bleibt beim haltungsstarken Schwarz-Weiß. China ist böse. Punkt. Die SWR-Doku bemühte sich um ein differenzierteres Bild, ohne irgendwelcher Propaganda auf den Leim zu gehen oder ihr gar Vorschub zu leisten.

Die ARD ist leider mal wieder weder „eins“ noch „deins“, weil sich die Zuschauer*innen kein eigenes Bild machen können. Wenn sie den Wettbewerb im Programm nicht aushält, hat sie ihre eigene Vielfalt nicht verstanden. Sondern lässt sie einfach am Sendetag verschwinden.

Steffen Grimberg, Medienprofi, bringt hier jede Woche Unordnung in die aufgeräumte Medienwelt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen