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Der Lohn der guten Präsentation

Buxtehude hatte sich schon vor zwei Jahren für den Nachhaltigkeitspreis beworben. Damals hat man gemerkt, dass eine übergeordnete Strategie fehlt. Die wurde nun nachgeliefert

Von Alina Götz

Die Hansestadt Buxtehude ist mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2021 in der Kategorie Mittlere Städte ausgezeichnet worden. Mit dem Projekt „Buxtehude 2030“ erarbeite die Stadt zurzeit eine Nachhaltigkeitsstrategie in Anlehnung an die globalen Entwicklungsziele, heißt es in der Begründung. „Besonderes Augenmerk liegt auf den Themen Klima- und Ressourcenschutz sowie sozialer Teilhabe.“ Der Preis wird seit 2012 von der Deutschen Stiftung für Nachhaltigkeit vergeben und ist mit 30.000 Euro dotiert.

Beim Klimaschutz sei Buxtehude mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien gut dabei. Es nutze „seine geografische Lage, um Wind-, Solarenergie sowie Fernwärme weiter auszubauen“. Zum Ressourcensparen laden „Buxbüdel“, „Buxpott“ und „Meibox“ ein, allesamt Mehrweg-Projekte. Und „Ener:kita“ führt die Kleinsten an diese Themen heran. „Wir schauen, wie die Einrichtungen energetisch aufgestellt sind, aber führen auch Kinder spielerisch an das Thema heran – nachhaltig kochen, richtig heizen und lüften“, erklärt Thomas Bücher, Sprecher der Stadt.

„Jährlich sensibilisiert zudem die nicht-kommerzielle Ökomesse ‚Vor Ort Fair-Ändern‘ auch die Verbraucher/innen für einen bewussten Lebensstil“, so die Jury weiter. Und der Buxtehuder Präventionsrat wird dafür gelobt, das städtische Engagement in den Bereichen Bildung, soziale Teilhabe und sogar Klimaschutz mitzugestalten.

Michael Lemke, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat, freut sich über den Preis. Er komme überraschend, aber nicht unberechtigt. „Aber ich hinterfrage ihn“, setzt er hinzu. Als Lemke mit seinen Parteikolleg*innen die Begründung der Jury gelesen hat, kam sie ihnen „sehr wolkig“ vor. „Dass vielerorts Tempo 30 eingeführt wurde, ist bereits 28 Jahre her“, so Lemke.

Auch ein erwähntes Fernwärmenetz für ein Neubaugebiet sei gar nicht so super, es sei schließlich ein klassisches mit Erdgas. Auch die durch die Jury gelobte Beteiligung der Bürger*innen bei Bauprojekten und mehr sei noch sehr sporadisch. „Wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen, müssen solche guten Ansätze nicht nur einmal, sondern überall verfolgt werden“, sagt Lemke.

Überhaupt würde der Begriff der Nachhaltigkeit – trotz der Wichtigkeit der Debatte – „zu inflationär“ genutzt, findet Lemke. „Wir sollten mehr über die Definition von Nachhaltigkeit sprechen und die Inhalte davon im Leben und im Handeln der Menschen annehmen.“

Aufholen muss Buxtehude nach Ansicht des Grünen-Politikers im Bereich Klimaschutz und bezahlbarem Wohnen. Bei den Planungen einer neuen Sporthalle und Schule merke er nichts von den Ambitionen der Stadt. „Ich möchte Null-Energie-Häuser mit Holz oder anderen recycelten Stoffen bauen.“ Man sei nach wie vor sehr konservativ unterwegs.

Auch andere Kommunen hätten den Preis gewinnen können, ist sich Lemke sicher. Wenn sie sich nur beworben und so gut dargestellt hätten, wie Buxtehude es getan habe. „Es gibt viele, die erheblich weiter sind.“ Lemkes Sorge ist, dass sich die Stadt nun auf der Auszeichnung ausruhen könnte. „Dabei stehen wir ganz am Anfang.“

Dass man noch nicht am Ziel ist, weiß auch Stadtsprecher Bücher. Bereits vor zwei Jahren wurde Buxtehude für den Preis nominiert. Seither habe sich viel getan, was die Jury nach Büchers Ansicht mit der Auszeichnung honoriert habe. „Als wir damals die Bewerbung ausgefüllt haben, haben wir gemerkt, uns fehlt neben den vielen Tätigkeit eine übergeordnete Strategie.“

Es gibt viele, die erheblich weiter sind“

Michael Lemke, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat von Buxtehude

Anfang des Jahres organisierte die Stadt daher Workshops mit Beschäftigten der Stadt und mit Politiker*innen. Folgen soll nun – durch die Coronapandemie verspätet – ein Treffen mit den lokalen Initiativen. „Wir wollen nach deren Ideen fragen“, sagt Bücher. Auch der Präventionsrat der Stadt beschäftige sich dieses Jahr mit der Zukunftsfähigkeit Buxtehudes. All die Ergebnisse wolle man zusammenfassen.

Auch im Haushalt wolle man einige der Nachhaltigkeitsziele der UN – die Sustainable Development Goals – als Schwerpunkte festhalten, sagt Bücher. Es solle ein Leitbild entstehen, mit dem Investitionen abzugleichen seien und Zielkonflikte austariert werden könnten.

Im Bereich Bildung sei Buxtehude jetzt schon vorn mit dabei, sagt Bücher. Seit Jahren sei man Fair-Trade-Stadt; auf dem Weihnachtsmarkt werde kein Plastikbesteck mehr ausgegeben, es gebe Ansiedlungskriterien für Gewerbeflächen – etwa die Zahl der Arbeitsplätze. „Der Preis ist ja nicht nur ein Ökopreis“, erinnert Bücher. Und die drei Säulen der Nachhaltigkeit seien nun mal Ökologie, Ökonomie und Soziales.

Passend dazu habe man ein Gewerbeforum mit Christian Felber organisiert, Begründer der Gemeinwohl-Ökonomie. „Es hat sich einiges getan.“

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