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boulevard der bestenUlrikeWinkelmann

Foto: Jörn Neumann

Es ist ja auch so, dass man sie vermissen musste: Ulrike Winkelmann, seit heute, dem 1. August, mit Barbara Junge Chefredakteurin der taz, ist ein Urgewächs dieses Hauses. Sie hat bis vor Kurzem zwar beim Deutschlandfunk in Köln gearbeitet, dort wunderbar kluge Stücke redaktionell verantwortet und Beiträge in Fülle auch selbst verfasst; sie war auch mal für kurze Zeit beim Freitag, aber letztlich ist es doch so: Mit ihr kommt eine in professioneller Hinsicht nach Hause. Ulrike Winkelmann ging nach dem Aufwachsen im Ostwestfälischen zum Studieren nach Hamburg. Nach einem Jahr, so erzählt sie, „brauchte ich einen Job, aber es sollte etwas Linkes sein. An der Uni machte ich Hochschulpolitik und arbeitete mich in den linken Kosmos ein. So bin ich in die taz Hamburg hineinmarschiert und habe gefragt, ob ich dort arbeiten könne. Ich durfte dann einmal die Woche Telefondienst machen und bald einen Kasten mit Veranstaltungstipps schreiben. Irgendwann erbettelte ich mir ein Redaktionspraktikum …“

Sie wurde in Hamburg eine der vernehmlichsten Stimmen unserer Zeitung – ehe sie in den späten neunziger Jahren nach Berlin kam. War dort alles Mögliche, Chefin vom Dienst, Redakteurin, aber immer im politischen Bereich, Verteidigungspolitik, Grüne, Soziales, Parlamentsbüro … Ressortleiterin Inland. Sie hat in jenen Jahren diese Zeitung erheblich geprägt – ihr berufliches Können ist das einer ultra­versierten Journalistin ohne Scheuklappen, persönlich beleidigt es sie indes nicht, wenn man sagt, sie hänge Ideen an, die man gesellschaftlich als links verortet. Sie ist von entschlossenster Umgänglichkeit – ohne die eigene Haltung zu irgendeiner Frage des journalistischen Alltags schattig zu halten.

Winkelmann hat freilich in ihrer Position gewiss auch Inhaltliches, gelegentlich weltanschaulich Knirschendes in der taz-Redaktion zu klären – aber die Hauptsache ist notgedrungen eine, die mit den schwindenden Auflagen der papiernen Tageszeitungen zu tun hat, denen sich auch wir uns als taz stellen müssen. Sie sagt zur Frage der Digitalisierung: „Es wird den Tag X geben, an dem wir unter der Woche nur noch digital erscheinen und nicht mehr auf Papier. Vor diesem Schritt habe ich größten Respekt.“ Aber, so fügt sie an, „die taz bereitet sich so lange und intensiv darauf vor, das beeindruckt mich und macht mich zuversichtlich, dass wir das hinbekommen. Wir bieten schließlich einzigartigen Journalismus in politisch anspruchsvollen Zeiten: Die Coronakrise wird noch schneller als die Klimakrise neue Umverteilungs- und Gerechtigkeitsfragen aufwerfen, die auch im Wahljahr 2021 eine große Rolle spielen dürften.“ Herzlich willkommen an ihrem ersten Arbeitstag – Montag wird er sein! Jan Feddersen

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