berliner szenen
: Keinen Bock, arbeiten zu gehen

Auf dem Weg zu einer Freundin springe ich in ein Taxi. Ich hatte einen anstrengenden Arbeitstag, bin spät dran und erinnere mich noch zu gut daran, vor einem Jahr eben jenes Lokal, in das sie mich auch jetzt bestellt hat, nicht gleich gefunden zu haben. Das erkläre ich dem Taxifahrer, als er neugierig fragt, warum ich für die geringe Distanz ein Taxi nehme. Der sieht mich an, als sei ich ein Alien und fragt: „Hast du kein Google?“ Ich runzle verlegen die Stirn: „Doch schon.“

Er zückt sein Handy und versucht mir Google Maps zu erklären. Ich schneide eine Grimasse: „Ich verstehe schon, wie es funktioniert.“ Er grinst: „Kann man nichts falsch machen – ist echt idio­tensicher!“ Mir fallen zig Situationen ein, in denen ich trotz Google Maps in Einbahnstraßen gelandet bin, aber finde, meine Unfähigkeit, Karten zu lesen oder Navigationsgeräte-Ansagen zu folgen, gehe den Taxifahrer nichts an. Daher murmele ich: „Ist einfach nicht mein Tag. Ich will nur schnell ankommen“, und versuche dann von mir abzulenken, indem ich frage: „Und? Wie läuft das Taxigeschäft in Coronazeiten?“

Er stöhnt: „So schlecht, dass ich tagelang keinen Bock hatte, arbeiten zu gehen, weil es eh nicht lohnt.“ Ich bereue, gefragt zu haben und lächle ihn durch die dicke Plexiglasscheibe, die uns trennt, an. Wir schweigen. Als ich aussteige, deutet er auf das Taxometer: „Macht drei Euro.“ Ich reiche ihm einen Fünfer. Er kramt sein Portemonnaie raus und erklärt: „Ich habe eben gerade erst angefangen zu arbeiten. Jetzt mache ich auch einfach schon Schluss. Ich wohne hier nämlich.“ Er zeigt auf das Haus neben dem Lokal, in dem meine Freundin wartet. Ich bedeute ihm, sein Wechselgeld steckenzulassen: „Für weniger als 5 Euro am Tag sollte echt niemand arbeiten.“ Er wirkt zufrieden: „Reicht wenigstens für Cola und Chips!“

Eva-Lena Lörzer