„Das Scheitern ist das Echo der Utopie“

Im August wird auf der Weserinsel Harriersand die „Reisende Sommer-Republik“ ausgerufen. Ein Gespräch mit dem Mit-Initiator Oliver Behnecke

Im August wird die Republik gegründet: Beim Inselkongress „Ausflug in die Utopien“ soll die „Reisende Sommer-Republik“ auf der Weserinsel Harriersand ausgerufen werden. Nur für drei Tage und mehr als Kongress denn als neuer Ort auf der deutschen Landkarte. Aber durchaus mit politischem Anspruch und in Anlehnung an jene utopisch gesinnten Auswanderer, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf dem Weg in eine freiere Welt unweit Bremens strandeten (siehe Kasten). Der Filmemacher Peter Roloff und der Theatermacher Oliver Behnecke haben den Inselkongress und die fünf dazugehörigen „Signalfeuer“ als Zukunftswerkstatt und „Ausflug in die Utopie“ konzipiert.

taz: Utopischer Optimismus ist nicht gerade das Grundgefühl dieser Tage.

Oliver Behnecke: Das eben wollen wir fragen: Gibt es so etwas wie politische Sehnsucht, gibt es den Mut zu Veränderung? Wir wollen uns sozusagen von der historischen Geschichte abstoßen und ein gegenwärtiges Format entwickeln, wo über die Themen, die sich aus dieser Geschichte herausfiltern lassen, nachgedacht wird. Und damit den heute so angstbesetzten Begriff der Zukunft mit Künstlern und Wissenschaftlern sinnlich beleuchten.

Wollen Sie damit den Utopie-Begriff rehabilitieren?

In den letzten zehn, fünfzehn Jahren nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems ist der Utopie-Begriff aus der gesellschaftlichen Diskussion herausgedrängt worden. Aber auf der künstlerischen Ebene und bei Bewegungen wie „attac“ ist er wieder hervorgekommen. Es geht uns bei der Utopie allerdings weniger um den großen Entwurf als um den Weg dorthin: das utopische Denken.

Und wie konkret werden die utopischen Ideen auf dem Inselkongress?

Wir stoßen hier in der Region immer wieder auf Leute mit utopischen Ideen. Zum letzten Signalfeuer, das ja als Vorbereitung für den Inselkongress dient, hatten wir Leute von der Zukunftswerkstatt Sandstedt zu uns eingeladen. Diese Werkstatt ist nicht von der Politik initiiert, sondern da haben sich Bewohnerinnen und Bewohner vor Ort zusammengeschlossen, die ihre Gemeinde entwickeln wollen.

Die Gestrandeten auf Harriersand haben Ihre Utopie letztendlich nicht verwirklicht.

Es geht uns auch nicht darum, eine romantisch verklärte Utopiediskussion zu führen. An einem verklärten Menschenbild sind ja auch die großen utopischen Gesellschaftsentwürfe immer wieder gescheitert. Utopie und Scheitern liegen dicht beieinander: Ich würde sagen, dass das Scheitern das Echo der Utopie ist.

Am kommenden Samstag wollen Sie beim letzten „Signalfeuer“ über die „Chancen des Scheiterns“ sprechen. Mit einer kleinen Insel vor dem Space Park haben Sie sicher den richtigen Ort dafür gewählt. Können Sie vorab schon einmal andeuten, wo diese Chancen liegen?

Nein, da haben wir keine fertigen Antworten. Was uns aufgefallen ist, als wir diese kleine Insel auf dem Gelände gesehen haben, ist, dass sie genau die gleiche Form hat wie Harriersand. Wir können diese Geschichte einer gescheiterten Utopie– sozusagen gestrandet wie einst die Gestrandeten auf Harriersand – Bremens natürlich nicht einfach auflösen. Aber natürlich sind alle herzlich eingeladen, am Samstag dort ihre Ideen vorzutragen.

Interview: Friederike Gräff

Das letzte „Signalfeuer“ findet am 30. 7. um 19 Uhr auf dem Weserinselchen hinter dem Space Park statt. Zum „Inselkongress 2005 – Ausflug in die Utopien“ vom 19.-21.8. kann man sich unter www. sommer-republik.de bis zum 8.8. anmelden. Kosten inklusive Halbpension 100 Euro, für Kinderbetreuung ist gesorgt.