: Hamburg träumt
Das Basketballteam Hamburg Towers will mit dem neuen Trainer Pedro Calles an die Spitze. In der vergangenen Saison hat den Verein nur die Coronakrise vor dem Abstieg gerettet
Von Christian Görtzen
Im Basketball gibt es in normalen Zeiten – also, wenn nicht gerade das Coronavirus grassiert – kein Unentschieden. Gewinnen oder verlieren, darum geht es in dem Sport. Marvin Willoughby hat es einst als Profi nie am nötigen Ehrgeiz gemangelt. Ansonsten hätte es der gebürtige Hamburger auch nicht auf 35 Einsätze in der deutschen Nationalmannschaft gebracht.
Er, der in Wilhelmsburg aufgewachsen ist, wollte immer zu den Gewinnern zählen. Doch bei der Frage, ob die Hamburg Towers ein Gewinner der Coronakrise seien, weicht der Geschäftsführer des Bundesligisten trotzdem aus. „Nein, ich kann verstehen, in welche Richtung das geht. Aber ich finde es nicht richtig, in dieser Zeit als Gewinner dazustehen. Das möchten wir auch nicht“, sagte Willoughby der taz.
Aber so ehrenwert die Haltung des 42-Jährigen ist, die Towers haben in sportlicher Hinsicht sehr davon profitiert, dass die Basketball-Bundesliga (BBL) Mitte März aufgrund der Pandemie die Saison abgebrochen und beschlossen hat, dass es keinen Absteiger geben wird. Dieser wären die Towers recht sicher gewesen. Zu jenem Zeitpunkt stand Hamburg auf dem letzten Tabellenplatz. Das hätte bei einem normalen Saisonverlauf am Ende den Sturz in die Zweitklassigkeit zur Folge gehabt.
Angesichts der Punktgleichheit mit dem Mitteldeutschen BC, der zum Zeitpunkt des Abbruchs auf dem ersten Nicht-Abstiegsrang stand, wäre für die Towers bei einer Fortsetzung der Serie natürlich noch ein Wunder möglich gewesen. Den Klassenerhalt am „grünen Tisch“ haben sie dennoch gerne angenommen.
Ohne den Verbleib in der höchsten Spielklasse wäre Willoughby vermutlich nicht dieser Coup gelungen, der am 26. Juni bundesweit alle Basketball-Interessierten aufhorchen ließ. An jenem Tag vermeldeten die Nachrichtenagenturen, dass Pedro Calles neuer Trainer der Towers wird. Der 36 Jahre alte Spanier hat in den vergangenen Jahren beim SC Rasta Vechta eine solch vorzüglich Arbeit geleistet, dass er in Deutschland bei der Wahl eines neuen Arbeitgebers nahezu freie Auswahl gehabt hätte.
Calles, Coach des Jahres in der BBL 2019 und eines der größten Trainertalente in Europa, entschied sich für Hamburg.
„Wir haben viele Erfahrungen gesammelt in unserer ersten Saison in der BBL. Jetzt sind wir wieder da, und wir wollen weiterkommen“, sagte Willoughby. „Pedro ist ein wichtiges Puzzlestück. Wir werden von seinen Fähigkeiten lernen. Er hat die Stärke, alles aus seinen Spieler herauszuholen und in den vergangenen beiden Saisons bewiesen, dass er ein überdurchschnittlicher BBL-Coach ist“, sagt der Towers-Geschäftsführer.
Calles hat Rasta Vechta zunächst als Assistenztrainer, dann als Trainer zum Aufstieg geführt und in der BBL etabliert. Doch offenbar ist er in der 30.000-Einwohner-Stadt Vechta irgendwo an Grenzen gestoßen und wollte nun einen Schritt in ein größeres Umfeld, in eine 1,9 Millionen-Einwohner-Metropole machen
„Wir sind froh, dass wir einen solchen Trainer davon überzeugen konnten, nach Hamburg zu kommen. Natürlich hat die Attraktivität der Stadt dabei eine Rolle gespielt“, sagte Willoughby über die Verhandlungen mit Calles. Dies bestätigte der neue Coach, der bei den Towers die Nachfolge des US-Amerikaners Mike Taylor antritt, auch bei seiner Vorstellung. „Der Verein und die Stadt haben ein großes Potenzial. Die Towers sind ein professionell geführter Verein mit einer Strategie und einer ambitionierten Vision.“
Das Ziel heißt: Entwicklung zu einem BBL-Spitzenteam, einem dauerhaften Aspiranten auf einen der acht Play-off-Plätze. Die finanziellen Möglichkeiten dafür sind zwar noch immer überschaubar, zumindest aber ist es in der Coronakrise nicht ganz schlimm für den Verein gekommen. „Unsere Fans waren sehr solidarisch, viele haben uns das Geld erlassen, obwohl sie das Recht auf Rückerstattung gehabt hätten. Die wollten nicht, dass das hier kaputt geht“, sagte Willoughby.
Die Einsturzgefahr für die „Türme“ ist vorerst gebannt. Nun soll ein Baumeister aus Spanien nicht nur einen Abstieg verhindern, sondern endlich tatsächliche Erfolge ermöglichen.
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