piwik no script img

Asche auf Werders Haupt

Wenige Tage nach dem knappen Klassenerhalt übte Werder Bremens Führungsriege öffentliche Selbstkritik. Trainer Florian Kohfeldt und Sportchef Frank Baumann bleiben allerdings im Amt

Von Ralf Lorenzen

„Wir haben unser Ziel absolut verfehlt und Fehler gemacht“, sagte Werder Bremens Sportchef Frank Baumann am Freitagmittag auf der ersten Präsenz-Pressekonferenz des Vereins seit dem Shutdown. Zu der versammelten sich neben Baumann seine beiden Geschäftsführer-Kollegen Klaus Filbry und Hubertus Hess-Grunewald, der Aufsichtsratsvorsitzende Marco Bode sowie Cheftrainer Florian Kohfeldt.

Ältere Zeitgenossen fühlten sich an die Tradition der Selbstkritik im Marxismus-Leninismus erinnert, jüngere sahen eher moderne Fehlerkultur nach kapitalistischer Management-Lehre am Werk. Auf jeden Fall streute sich Werders Führungsriege vier Tage nach der „kollektiven sportlichen Nahtoderfahrung“, wie Hess-Grunewald sie nannte, kräftig Asche auf die eigenen Häupter.

Ihnen sei klar, dass sie „keine große Aufbruchstimmung verbreiten können“, sagte Baumann. „Aber wir können versprechen, dass wir viel gelernt haben.“ Schon am Tag vorher war durchgesickert, das Baumann und Kohfeldt weitermachen können. Entgegen der Vermutung, dass Kohfeldt selbst mit einem Ausscheiden geliebäugelt habe, schilderte er seinen Entscheidungsprozess so: „Heidenheim, Bier trinken, Bus, Flieger, schlafen, ein Gespräch mit Frank, dann war ich eigentlich durch.“ Er habe weder Forderungen gestellt noch mit anderen Vereinen gesprochen, sagte Kohfeldt.

Kohfeldt und Baumann rückten in der Analyse die Verletzungsserie in den Vordergrund, die laut einer Studie der Berufsgenossenschaft zu über 2.000 Ausfalltagen geführt habe, während der Liga-Schnitt lediglich bei 742 liege. Für die Fehler in der Vorbereitung und Trainingssteuerung übernahm Kohfeldt die Verantwortung. Außerdem sei bei der Zusammensetzung des „Teams um das Team“, also unter anderem dem athletischen und medizinischen Bereich, zu wenig auf Teamfähigkeit geachtet worden, was zeitweise zu Reibungsverlusten geführt habe.

Auch in der Kaderplanung seien viele Ideen nicht aufgegangen, gab Baumann zu. Man habe mit Niklas Moisander und Davy Klaassen zwar Führungsspieler, aber es fehlten dominante Typen und insbesondere „ein Spieler, der dem Trainer auch mal die Sicht der Mannschaft darlegen kann“.

Im Verhältnis zur präsentierten Mängelliste fiel die Maßnahmenliste schmal aus. Klar scheint zu sein, dass es ein Bindeglied zwischen Trainerteam, Mannschaft und Management geben muss. Auch im Trainerteam sind Veränderungen zu erwarten.

Angesichts von 30 Millionen Euro Corona-bedingten Mindereinnahmen, die Klaus Filbry für die vergangene und kommende Saison errechnete, wird die nächste Saisonausrichtung sparsam sein. Bevor Neuzugänge verpflichtet werden können, müssen Einnahmen generiert werden. Über den Verkauf von Milot Rashica wird schon verhandelt.

„Es wird in der neuen Saison ein anderer, intensiver Weg“, sagte Kohfeldt. „Ich habe extrem viel Lust, diesen Weg zu gehen.“ Und das klang dann doch ein wenig nach Aufbruch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen