Jörn Kabisch Angezapft
: Leicht betäubende Holzigkeit

Rodenbach Classic, Brouwerij Rodenbach, 5,2 % vol.

Es waren einmal vier Brüder. Die hatten ihre Finger nicht nur bei der belgischen Revolution im Spiel, die 1831 zur Abspaltung des Landes von den Niederlanden führte. Sie gründeten 1821 auch eine Brauerei im westflandrischen Roeselare, die bis heute zu den angesehensten der Zunft gehört.

So beginnt die Geschichte eines Bieres, das seit über hundert Jahren immer wieder Preise bekommt und zu den großen Klassikern der Bierwelt gehört. An der Historie der Brauerei Rodenbach ließe sich einiges über das innige Verhältnis der Belgier zum Bier erzählen. Und über die wichtige Rolle der Frauen in der Biergeschichte. Dass die Brauerei bis heute existiert, dafür haben nämlich nicht so sehr die Rodenbach-Brüder den Grundstein gelegt, sondern eine Frau, Regina Wauters, die den vier Revolutionären das Brauwesen entriss und auf ökonomisch gesunde Beine stellte.

Aber von all dem historischen Überhang wusste ich nichts, als ich die erste Flasche Rodenbach Classic öffnete – mit einem Feuerzeug. Sonst hätte ich zu meinem besten Flaschenöffner gegriffen. Ich wusste nur, Rodenbach braut seit Beginn an mit einer Haushefe. Und das war für mein Sommerprojekt, gute Sauerbiere vorzustellen, vollkommen ausreichend.

Als Haushefe werden speziell vor Ort gewachsene Biotope aus Hefepilzen und Mikroorganismen bezeichnet, sie geben Bieren einen komplexeren Charakter und mehr Tiefe. Normalerweise wird Bier heutzutage mit Reinzuchthefe fermentiert. Es ist ein ähnlicher Unterschied wie zwischen Hefe oder Sauerteig beim Brotbacken – nämlich ein höllenweiter.

Bevor man das Rodenbach nun an den Mund setzt, sollte man noch wissen: Das Classic ist ein flämisches Rotbier. Es darf jahrelang in Eichenfässern reifen und wird kurz vor dem Abfüllen mit Jungbier verschnitten, um den Geschmack abzurunden und es noch etwas spritziger zu machen.

Diese lange Fassreifung sieht man schon an der Farbe. Das Bier hat einen tiefroten Mahagoni-Ton. Es riecht sauer, nach getrockneten Früchten und etwas phenolisch. Diese Kaugummi-Note ist auf der Zunge aber nicht mehr zu spüren, da teilt sich der Geschmack des leicht sauren Bieres auf in einen Teil Apfelessig, in eine grüne Bitterkeit wie von frischem Stangensellerie und eine leicht betäubende Holzigkeit, die aus den Tanninen der Reifefässer stammt.

Ja, es ist schwierig, dieses Bier auf einen Nenner zu bringen. Aber für jeden, der oder die gern ein Glas gekühlten, leicht moussierenden Rotwein an einem lauen Sommerabend genießt, kann ich ein Fläschchen Rodenbach Classic besten Gewissens empfehlen.