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Archiv-Artikel

Der Senat wird streng

EVOKATION Wohnungsbauvorhaben in Poppenbüttel soll gegen das Votum eines Wandsbeker Bürgerentscheids durchgesetzt werden

„Der Senat will mit einem Federstrich die direkte Demokratie aushebeln“

ANGELIKA GARDINER

Das Bauvorhaben in der Matthias-Strenge-Siedlung in Poppenbüttel soll nun doch realisiert werden. Die Senatskommission für Wohnungsbau hat beschlossen, die Zuständigkeit von der Bezirksebene weg auf die Landesebene zu ziehen. Der Sprecher der Stadtentwicklungsbehörde, Frank Krippner, bestätigte das auf Anfrage der taz. Der Bezirk Wandsbek sei angewiesen worden, das Bebauungsplanverfahren wieder aufzunehmen, sagte Krippner. Mit diesem so genannten Evokationsrecht unterlaufe der Senat einen acht Jahre alten Bürgerentscheid, kritisiert der Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete Olaf Duge. Er nennt dieses Vorgehen „ignorant und kaltschnäuzig“.

Bei dem Bürgerentscheid im Bezirk Wandsbek im Februar 2004 waren Neubaupläne der Schiffszimmerergenossenschaft abgelehnt worden. Diese wollte die Siedlung aus den 30er Jahren nachverdichten. Zu jedem Häuschen gehört ein 1.000-Quadratmeter-Grundstück. Aus heutiger Sicht ist das zu üppig. Deshalb wollte die Genossenschaft abreißen und neue Häuser mit fast doppelt so vielen Wohnungen – 110 statt 59 – errichten.

Danach begann ein monatelanges Tauziehen über die Interpretation des Bürgervotums. Die Genossenschaft stellte trotz des Bürgerentscheids einen Bauantrag auf der Grundlage eines alten Baustufenplans aus dem Jahr 1952, der angeblich weiter in Kraft sei. Zwar wurde mit dem Bürgerentscheid auch eine Erhaltungsverordnung erzwungen, doch diese wurde vom Bezirk nie erlassen.

In dieser rechtlichen Grauzone hat nun der Senat nach mehr als acht Jahren Stillstand das Verfahren an sich gezogen. Das sei „Politik nach Gutsherrenart“, kritisiert der Grünen-Abgeordnete Duge. Er hat am Mittwoch eine umfangreiche Anfrage an den Senat eingereicht, um Einzelheiten des Vorgehens zu erfahren und eine Begründung dafür zu erhalten.

Nicht erfreut zeigt sich auch Angelika Gardiner vom Verein „Mehr Demokratie“. Der Senat wolle „mit einem Federstrich die direkte Demokratie aushebeln“, kritisiert Gardiner. Das widerspreche auch dem Geist der Reform der bezirklichen Bürgerbegehren, welche die Bürgerschaft am 25. Januar beschlossen hatte. Damals votierten SPD, CDU, Grüne, FDP und Die Linke einstimmig für eine Aufwertung der Bürgerbeteiligung auf der Basis eines Kompromisses, der mit „Mehr Demokratie“ ausgehandelt worden war. Das sei, vermutet Gardiner nun, „eine Alibiveranstaltung gewesen“.  SVEN-MICHAEL VEIT