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berliner szenenIch mag das Funkhaus nicht

Sprich mir nach: Ich mag das Funkhaus nicht.“ – “Ich mag das Funkhaus nicht“, spreche ich gehorsam meiner inneren Stimme nach. “Wieso bist du dann heute schon das dritte Mal hier gelandet?“, fragt sie, aber ich antworte nicht. Ich bin erst mal in Eile, in Rummelsburg anzukommen, damit mich das angesagte Unwetter nicht auf die Köpenicker Chaussee erwischt. Als ich wieder in Sicherheit bin (heißt: umgeben von Häusern und nicht von Industriegelände), denke ich über die Frage nach.

Es ist eine gute Frage. Das erste Mal musste ich zum Funkhaus, um über ein Festival zu berichten. Am nächsten Tag machte ich mit zwei Freundinnen einen Fahrradausflug, und plötzlich waren wir wieder da. Und diesmal wollte ich zu den Kaulsdorfer Seen und bin irgendwann falsch abgebogen. “Was gefällt dir dort nicht?“ Die Stimme lässt nicht locker. “Ich kann das nicht genau sagen. Ich finde den Ort interessant und fotogen, aber ich fühle mich unwohl da.“ Die Stimme gibt sich zufrieden, oder ich höre sie nicht mehr, weil es mit dem Regen losgeht, und zwar heftig.

Ich suche Obdach in einer Pizzeria an der Rummelsburger Bucht, ich bin aber nicht die Einzige, die auf diese Idee kam, deshalb muss ich Schlange stehen, bis die Wartenden vor mir platziert sind. Die Pizzeria ist eine Holzhütte mit Blechdach und das Wasser erreicht mich bald. Mein Tisch und das Corona-Formular werden nass. Ich fange gerade an zu denken, dass ich lieber zu Hause geblieben wäre, als eine Frau, die hinter mir alleine sitzt, mich einlädt, sich zu ihr zu setzen. Dort regnet es nicht. Wir unterhalten uns, entdecken Gemeinsamkeiten und sind gleich froh, uns zufällig begegnet zu sein. “Siehst du? Ohne Funkhaus wäre das vielleicht nicht passiert“, meldet sich meine innere Stimme wieder, und diesmal gebe ich ihr recht.

Luciana Ferrando

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