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Archiv-Artikel

Black Box Bremen

Seit einem halben Jahr trägt Bremen den Ehrentitel „Stadt der Wissenschaft“ – doch außerhalb der Hansestadt nimmt das niemand so recht wahr. Auch die erhofften Touristen bleiben bislang aus

aus Bremen Jan Zier

Nach Angaben der Organisatoren sollen rund 100.000 BesucherInnen zu den Veranstaltungen im Rahmen der „Stadt der Wissenschaft“ gekommen sein. 300 Termine zählt der Programmkalender für die vergangenen sechs Monate auf, rund ebenso viele sollen bis Dezember noch stattfinden.

Verliehen hat den Ehrentitel der Stifterverband für die Deutschen Wissenschaft. Doch finanziell hat Bremen bislang nicht nenneswert von dieser Auszeichnung profitieren können, sieht man einmal von dem Preisgeld in Höhe von 250.000 Euro ab.

Neue Aufträge für die Bremer Unternehmen habe der Titel jedenfalls nicht mit sich gebracht, so Gerd Neubauer von der Handelskammer. Und mehr Touristen kommen auch nicht nach Bremen. „Die Veranstaltungen sind viel zu regional ausgerichtet“, sagt Maike Lucas, Sprecherin der Bremer Touristik Zentrale. 1,2 Millionen Gäste zählte Bremen im vergangenen Jahr. Und im ersten Quartal 2005 gab es erstmals seit sieben Jahren einen deutlichen Rückgang: 9,2 Prozent weniger Übernachtungen – obwohl Städtereisen boomen.

Dennoch sei die „Stadt der Wissenschaft“ ein Erfolgsprojekt, findet Maike Lucas. Der Titel habe Bremen einen „enormen Imagegewinn“ gebracht. Lucas verweist auf Beilagen in überregionalen Tages- und Wochenzeitungen. Deren Redaktionen berichten jedoch nur selten aus eigenem Antrieb über die „Stadt der Wissenschaft“.

Und so hat auch das Interesse der deutschen Städte an dem Wettbewerb „Stadt der Wissenschaft“ spürbar nachgelassen. Dresden, Preisträger im Jahr 2006, musste sich nur gegen fünf Mitbewerber durchsetzen, Bremen hatte noch 36 Konkurrenten. Die Ausbeute für das Stadt-Marketing sei „zu gering“, mutmaßt man beim Stifterverband. „Ich bin enttäuscht von der schlechten Resonanz“, sagt Carsten Klein, Programmverantwortlicher beim Stifterverband.

Das Vorzeigeprojekt der „Stadt der Wissenschaft“ sind die so genannten „Black Boxes“ – gewöhnliche Container, umgebaut zu Mini-Ausstellungen über Biokeramik, Magnetismus oder die „Logistik als Wissenschaft“. Noch bis zum 12. Oktober touren die Boxen in Bremen von Stadtteil zu Stadtteil.

„Das ist eine ganz tolle Sache“, lobt Michael Sonnabend vom Stifterverband. Allerdings ein Flop. Die Zuschauer bleiben aus, gibt Gerold Wefer, Meeresgeologe an der Universität Bremen und Chef-Koordinator in der Stadt der Wissenschaft zu – nur rund 100 BesucherInnen kommen pro Tag in die Container. „Es wird zu wenig Reklame gemacht.“ Doch das Projekt wird bundesweit von der Bremer Touristik Zentrale (BTZ) beworben. „Wir haben unser Möglichstes getan“, sagt BTZ-Sprecherin Lucas.

In Bremen ist es zumindest an einigen Tagen gelungen, die Wissenschaft raus aus dem Elfenbeinturm zu locken. Im Februar kamen fast 10.000 Menschen zu der Eröffnungsveranstaltung in die Messehallen, die soeben zu Ende gegangene Ausstellung „Entdeckung“ zählte laut Wefer täglich 1.000 BesucherInnen.

Angesichts solcher Ereignisse erkennt Klein in Bremen ein „Vorbild“ mit Ausstrahlung auf die ganze Republik. Darauf hofft auch Wefer – bislang mit wenig Erfolg: Schließlich gilt die Uni Bremen im Rest Deutschlands häufig noch als rote Kaderschmiede. Auch im aktuellen Länder-Ranking des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) nimmt Bremen nur den achten Platz ein. Zwar ist Bremen in Sachen Forschung Spitze, sagt das Ranking. Doch wenn es um die Ruf seiner Hochschulen geht, findet sich Bremen nur auf dem vorletzten Platz wieder. Bis sich dieses Image ändert, so Wefer, „das dauert ewig.“