: Keine Beratung für Intersexuelle
IDENTITÄT Der Senat will sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass die Diskriminierung von Intersexuellen abgebaut wird. Im eigenen Land passiert hingegen nichts
Doris Hoch, Die Grünen
In Bremen wird es keine Beratungsstelle für intersexuelle Menschen und deren Angehörige geben. Dies geht aus einer Antwort des Senats auf eine Anfrage der Grünen vom Dienstag hervor. Stattdessen will der Senat Erziehungsberatungsstellen „auffordern, sich mit der Thematik der Intersexualität auseinanderzusetzen und wo nötig und möglich entsprechende Fort- und Weiterbildungsangebote zu besuchen“, heißt es in dem Schreiben.
Den Grünen reicht dies nicht. Eltern, deren Kind sich nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen lässt – dies ist in einem von 5.000 Geburten der Fall – seien „nach der Geburt oft völlig überfordert und benötigen professionelle Beratung sowie Hilfe“, sagt die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft, Doris Hoch. Daher müssten sich auch diejenigen, die in der Geburtshilfe arbeiten, über den aktuellen Forschungsstand zu Intersexualität informieren. In der Senatsantwort heißt es dazu, die Gesundheitssenatorin habe im Frühjahr die betreffenden Verbände angeschrieben und auf diese Notwendigkeit hingewiesen. Doch die Bremer Ärztekammer sieht dies anders. Deren Hauptgeschäftsführerin Heike Delbanco sagte gestern, es seien keine Fortbildungen geplant. Schon im März hatte ihr Stellvertreter der taz gesagt, die Geburtshelfer in den Bremer Kliniken würden Eltern an die ExpertInnen des Universitätsklinikums Lübeck verweisen.
Unzufrieden ist die grüne Gesundheitspolitikerin Doris Hoch auch mit der Antwort des Senats auf die Frage, wie „Lehrkräfte für das Thema sensibilisiert werden können“. Dazu schreibt der Senat: „Die Lehrkräfte im Lande Bremen sind an die Vorgaben der Bildungspläne gebunden. In diesen wird in unterschiedlichen Fächern der Bereich ‚Sexualerziehung‘ thematisiert, sodass eine Beschäftigung mit der Thematik der Intersexualität immanenter Bestandteil des Unterrichts ist.“ Dies, so Hoch, „entspricht nicht der Realität. Ich bezweifle, dass die meisten Lehrer und Lehrerinnen darüber Bescheid wissen, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt“. Deshalb müsse die Bildungssenatorin den Schulen „etwas an die Hand geben“.
Zudem stammt der Leitfaden zur Sexualerziehung an Bremer Schulen aus dem Jahr 1987. Von Intersexualität ist darin keine Rede, erst seit rund 15 Jahren wird überhaupt in der Öffentlichkeit über das Thema gesprochen. Einen neuen Leitfaden wird es aber wie berichtet nicht geben. Trotz breiter Kritik an veralteten Vorstellungen etwa zu Homosexualität will die Bildungssenatorin diesen nicht erneuern. Stattdessen sollen sich Bremer Lehrer und Lehrerinnen an einer Schriftenreihe der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) orientieren. Von dieser ist erst ein Band erschienen und kann nach Einschätzung der BzgA nur als Grundlage für eigene Leitlinien der Bundesländer dienen.
Zufrieden sind die Grünen hingegen mit der Zusicherung des Senats, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Empfehlungen des Deutschen Ethikrats umgesetzt werden. Dieser hatte im Auftrag der Bundesregierung im Februar eine Stellungnahme zur Lebenssituation von intersexuellen Menschen gegeben. Darin heißt es, dass es in Zukunft möglich sein sollte, sich nach der Geburt nicht wie bisher auf die Kategorien „männlich“ und „weiblich“ festlegen zu müssen. Damit, so hoffen VertreterInnen von Selbsthilfegruppen, trauen sich mehr Eltern als bisher, ihren Kindern nicht per Operation ein eindeutiges Geschlecht verpassen zu lassen.
Der Ethikrat hatte allerdings auch mehr Fortbildungen für Ärzte und Ärztinnen vorgeschlagen sowie die Einrichtung unabhängiger Betreuungsstellen „in räumlich ausgewogener Verteilung“, in denen eine Beratung durch Betroffene angeboten wird. EIB