ZWISCHEN DEN RILLEN
: Zum Beispiel Stoller

„TV Sound and Image. Composers 1956–80“ (Soul Jazz/Indigo)

Seit 1970 läuft zu Beginn von „Match of the day“, der BBC-Entsprechung zur hiesigen „ARD-Sportschau“, das Stück „Condition Red“ von Stoller. Laut der Performing Rights Society, der britischen Gema, ist es die am meisten geläufige TV-Titelmusik in Großbritannien. Und obwohl seit vier Jahrzehnten jeden Samstag ein Millionenpublikum den Song hört, kennt kaum ein Mensch seinen Komponisten. Das auf musikhistorische Ausgrabungen spezialisierte Londoner Label Soul Jazz würdigt mit der Compilation „TV Sound and Image“ zahlreiche TV-Titelthema-Komponisten, denen es ähnlich ergangen ist. Einigkeit besteht noch darin, dass sie ein Publikum erreichen, das über die klassischen Pop-Zielgruppen hinausreicht. Die Zusammenstellung mit Songs aus den Jahren 1956 bis 1980 – also eine Phase, in der das Fernsehen eine Bedeutung hatte, die es längst verloren hat – weist zwar ein paar vertraute Namen auf. Der populärste ist ohne Zweifel der durch seine Scores für James Bond bekannt gewordene John, der mit der Titelmelodie für „The Persuaders“ vertreten ist; die Krimiserie lief im ZDF als „Die 2“.

Zumindest halbwegs bekannt ist Tony Hatch, der für Petula Clark „Downtown“ schrieb und dessen Musik auch unterschiedlichste TV-Sendungen prägte – von der BBC-Reportagereihe „Man Alive“ bis zur australischen Soap „Nachbarn“ (mit der Kylie Minogue berühmt wurde). Andererseits sind hier Musiker vertreten, über die man so wenig weiß, dass die Archivare von Soul Jazz nicht einmal die vollständigen biografischen Daten ermitteln konnten. Untrennbar verknüpft mit der Geschichte des „TV Sounds“ ist die der so genanten Library Music, denn ein Großteil der hier versammelten 36 Titel stammt von Künstlern, die ihre Musik im Auftrag von in diesem Bereich tätigen Firmen aufnahmen. Die Unternehmen, ursprünglich entstanden, um Soundtracks für Stummfilme zu liefern, bieten diese dann Filmfirmen, Fernsehsendern, Werbeagenturen und Lehrfilmproduzenten an. Ihr Repertoire bestand zumindest innerhalb des auf „TV Sound and Image“ berücksichtigten Zeitraums zu einem Großteil aus sehr ausgefeilter Musik, die dem wenig positiven Image solcher Auftragsarbeiten überhaupt nicht entsprach. Das Spektrum der hier versammelten Stücke reicht von vordergründig leichtem Big-Band-Sound zwischen Jazz und Easy Listening zu orchestralem Siebziger-Jahre-Funk.

Um ein paar präzisere Referenzen zu nennen: „Soul Thing“ von Keith Mansfield ist unter einem anderem Titel („Funky Fanfare“) im Quentin-Tarantino-Film „Death Proof“ zu hören, und in dessen Soundtracks würden weitere Stücke von „TV Sound and Image“ gut passen. Es gibt jedenfalls einiges zu entdecken: Alan Parkers dynamisches, mit Latin-Percussion angereichertes Stück „Angels“ etwa, das nach Krimi klingt, aber Verwendung in einer gleichnamigen BBC-Krankenhausserie fand, die nie in Deutschland zu sehen war. Oder Barbara Moores psychedelisch-laszives „Steam Heat“, zu hören in einer Krimiserie, die in Deutschland als „Die Füchse – Deckname Sweeney“ lief. Und dann ist da auch noch ein gewisser Harry Roche, der 1973 – im Alter von 55 Jahren und kurz bevor er „aus der Musikszene verschwand“, wie es im Booklet heißt – mit seiner Band Corporation das zehnminütige Soul-Funk-Jazz-Meisterstück „Spiral“ einspielte, das auch an Isaac Hayes berühmten „Shaft“ erinnert. Wer nun die Originalausgaben sucht, weil er auf den Geschmack gekommen ist, wird es schwer haben. Weil die Music-Librarys-Alben nicht für den Massenmarkt produzierten, sondern nur in kleinen Auflagen für ihre Kunden aus Film, TV und Werbung, sind diese heute bei Plattensammlern begehrt.

RENÉ MARTENS