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Archiv-Artikel

Kartoffelkrimi: Linda vor Gericht

Der Pflanzenzüchter Europlant verklagt drei Kartoffelbauern. Sie sollen die beliebte Sorte Linda, die auf ihren Feldern wächst, dieses Jahr nicht ernten dürfen. Denn Europlant will Linda verschwinden lassen und dafür Belana auf dem Markt durchsetzen

VON HANNA GERSMANN

Die Geschichte hat etwas von einem billigen Krimi. Drei Bauern stehen vor Gericht. Sie sollen sich strafbar gemacht haben, weil sie die allseits beliebte Linda aufgezogen haben. Geklagt hat der als gierig verschriene Hausherr Lindas. Allein: Der Fall ist real und zeigt, welchen Druck Agrarkonzerne ausüben können. Es geht um Linda, die festkochende Kartoffelsorte, die Beklagten kommen aus Schleswig-Holstein, und der Kläger heißt Europlant, ein Pflanzenzüchter. Gestern trafen sich die handelnden Personen vor einem Schiedsgericht der Landwirtschaftskammer Hannover.

Das Urteil fiel gegen die Bauern aus: Es sei „unzulässig“, dass sie Linda dieses Jahr auf ihren Felder pflanzten. Die Ernte und die übrig gebliebene Saat sollen deshalb beschlagnahmt werden. Matthias Miersch, der Rechtsanwalt der Verlierer, kündigte bereits Berufung an – vor dem Oberschiedsgericht für Saatgut und Sortenstreitigkeiten.

Einstweilen müssen alle Linda-Fans nun aber wieder um ihre Lieblingskartoffel bangen. Denn Europlant ist seinem Ziel, Linda vom Markt verschwinden zu lassen, ein gutes Stück näher gekommen.

Vor dreißig Jahren brachte das Lüneburger Unternehmen die gelbfleischige Sorte, die bestens geeignet ist für Kartoffelsalat oder Gratins, auf den Markt. Seitdem hielt die Firma eine Art Patent. Alle Bauern mussten ihr Saatgut bei Europlant kaufen – bis Ende 2004. Dann lief der Sortenschutz aus.

Linda wäre frei gewesen. Jeder Landwirt hätte sie kostenlos aufziehen und verkaufen dürfen. Doch das will der Züchter verhindern. Deshalb zog die Firma auch die Zulassung für Linda beim Bundessortenamt zurück. Das ist etwa vergleichbar mit einem Auto, dem der TÜV fehlt. Nun durfte niemand mehr die Kartoffel verkaufen.

Inzwischen sorgte aber ein Biobauer, Karsten Ellenberg, mit einer Kampagne „Rettet Linda“ bundesweit für Aufsehen. Er gründete den Linda-Freundeskreis, den Prominente wie die grüne Verbraucherministerin Renate Künast oder TV-Koch-Moderator Alfred Biolek unterstützen. Auf Antrag der Linda-Freunde räumte das Bundessortenamt für die „Königin der Kartoffel“ eine Frist bis 2007 ein. Die Bauern sollten ihr gekauftes Saatgut noch aufbrauchen können.

Europlant zeigte sich verärgert. Die Firma will die neue Sorte Belana auf den Markt bringen. Mit einem Widerspruch aber scheiterte sie. Also ging sie in die nächste Instanz. Sie verklagte das Bundessortenamt auf Schadenersatz in Millionenhöhe vor dem Verwaltungsgericht Hannover. Die Entscheidung steht noch aus.

Die Kartoffelbauern, die das Saatgut von Linda vermehren, konnten derweil nicht mehr warten. Die Jahreszeiten nehmen keine Rücksicht auf juristische Auseinandersetzungen. Also pflanzten einige Rebellen Linda auf ihren Felder aus. Das Problem: Sie haben mit Europlant noch im Jahre 2002 Verträge abgeschlossen. Darin heißt es „Der Vermehrer hat das von ihm erzeugte Erntegut vollständig zum Abruf durch den Züchter (…) bereitzuhalten.“ Darauf hat sich Europlant nun berufen – und Recht bekommen. Die Gegenseite konnte sich nicht durchsetzen. Sie hatte argumentiert: Für Linda gebe es keinen Patentschutz mehr, dann seien auch die Verträge nichtig.

„Europlant versuche die Bauern kleinzukriegen“, empörte sich Georg Janßen von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Das Verfahren ist jedenfalls nicht abgeschlossen. Linda darf bis September in der Erde bleiben. Nach der Ernte kommen die Kartoffeln in einen Container, der verplombt wird. Fortsetzung folgt.