: Keine in Stein gemeißelten Regeln
betr.: „Recht kennt keine Tabus“, Kommentar von Edith Kresta zur Verurteilung des Van-Gogh-Mörders, taz vom 27. 7. 05
„Gesetze verteidigen und verfestigen kulturelle Standards. Diese Standards sind Errungenschaften der westlichen Gesellschaften, an denen auch die Taten der Einwanderer gemessen werden müssen. Das Bürgerliche und das Strafgesetzbuch stellen verbindliche Leitlinien des Zusammenlebens dar. Eine Handlung, die deren Prinzipien widerspricht, ist nicht akzeptabel.“
Werden mit diesem Argument in Zukunft auch mögliche Castor-Proteste beleuchtet? Nichts gegen das Urteil, das sicher angemessen war, aber die Begründung, die die taz hier liefert, ist doch eher fraglich. Gesetze sind eben keine in Stein gemeißelten Regeln, sondern müssen flexibel das Miteinander regeln – in allen gesellschaftlichen Bereichen und Fragen. Gerade die taz mit ihrer Geschichte und ihren Wurzeln sollte dies auch auf ihrem Seite-1-Kommentar bedenken und nicht blind ins Horn der Normalisierung durch Gesetzeskraft stoßen. Bei allem Verständnis für die Argumentation in diesem Einzelfall, aber auf lange Sicht haben solche Argumente in einer liberalen Debatte um Recht und Ordnung nichts verloren. Sonst wäre Homosexualität auch heute noch strafbar, ebenso wie Abtreibungen (beide BGB). TORBEN IBS, Barcelona, Spanien
Wenn Holländer und Schweizer in Europa zu den Vorreitern für internationales Recht gehören, so ist das kein Zufall, sondern Ergebnis einer langen, durch Protestantismus und Freiheitskämpfe geprägten historischen Entwicklung. Der Urteilsspruch „lebenslänglich“ über den Mörder Theo van Goghs, kann für die Stabilität des aufgeklärten Rechtsstaates bedeutungsvoller werden als eine tagespolitische Abrechnung mit dem islamischen Terrorismus. Andere, durch Tradition oder Religion geprägte Länder, sind noch nicht so weit. Italien beispielsweise. Erst in den 80er-Jahren konnten der fast „märtyrerhafte“ Mut und die juristische Konsequenz der Staatsanwälte Falcone und Borselio in Sizilien das Geflecht aus Kriminalität und Institutionen dieser „ehrenwerten Gesellschaften“ im europäischen Gründungsmitglied Italien ein wenig lüften.
Unsere Rechtsordnung ist durch manipulative Medien (Noam Chomsky, Media Control) und populistische Politiker gefährdet. Das staatliche Gewaltmonopol – ein wesentlicher Stabilitätsfaktor der deutschen Verfassung – kann jederzeit von Interessengruppen (und sei es eine hierzulande herrschende besitzgierige Schicht) vereinnahmt oder institutionell unterlaufen werden. Daher sind demokratische Kontrollen durch die Bürger, also in Form „direkter Demokratie“, so wichtig. Erst wenn Gerichte und Exekutive den Druck der Bevölkerung spüren, sind sie bereit zu handeln. Wie jetzt in den Niederlanden, wo auch der internationale Staatsgerichtshof seinen Sitz hat.
JOHANNES PERTHEN, Hannover/Bremen
Ein Mensch ist ermordet worden. An sich sehr traurig. Auch weil darüber hinaus ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft, nämlich die Toleranz, eventuell verloren gegangen ist. Aber bei allem Respekt vor Errungenschaften der europäischen Gesellschaften, muss man sagen, dass dies nur ein Teil der Wahrheit ist. Die Wahrheit ist, so subjektiv das auch sein mag, dass die Intoleranz innerhalb islamischer Gesellschaften ihre Ursache wiederum in der politisch-wirtschaftlichen Vorherschaft des Westens hat. „Der Rechtsprechung wurde Genüge getan“, spricht dann die Wahrheit, wenn auch gleichzeitig gesagt wird, wie es dazu gekommen ist und wie die Lösung dazu ist. MEHRAN KHANIZADEH, Hamburg