: „Unser Kampf war gerechtfertigt“
Die IRA streckt die Waffen in Irland nicht aus moralischen Gründen, sondern aus politischer Notwendigkeit. Sinn Féin, politischer Arm der Terroristen, muss argumentieren lernen. Gegen die Partei wird sich eine linke Opposition bilden
taz: Die Irisch-Republikanische Armee (IRA) hat erklärt, die Waffen niederzulegen. Was bedeutet das für Nordirland?
Tommy McKearney: Die Erklärung ist wichtig. Sie ist eindeutig, und die IRA wird sich daran halten. Es geht ihr darum, die Voraussetzungen zu schaffen, dass ihr politischer Flügel, Sinn Féin, wieder in die nordirische Regierung eintreten kann. Außerdem hofft sie, dass Sinn Féin in nicht allzu ferner Zukunft auch in der Republik Irland in eine Koalitionsregierung gehen kann. Die IRA hat die Erklärung ja nicht aus plötzlich entdeckten moralischen Gründen abgegeben, sondern es war eine politische Notwendigkeit. Und sie wird sich an ihre Versprechen halten, weil sie andernfalls Sinn Féin unterminiert. Die IRA-Mitglieder akzeptieren das, weil sie wissen, dass der bewaffnete Kampf ohnehin vorbei ist.
Die IRA-Waffen ruhen seit 1994. Warum kommt diese Erklärung erst jetzt?
Die IRA hat die Jahre seit dem Waffenstillstand benutzt, um ihre Maschinerie langsam herunterzufahren. Vor elf Jahren wäre eine solche Erklärung noch völlig unmöglich gewesen. Damals war es für den Sinn-Féin- Präsidenten Gerry Adams ein Vorteil, die IRA im Hintergrund zu haben. Er konnte sagen: „Verhandelt mit mir, und ich sorge dafür, dass sie friedlich bleibt.“ Später wurde die IRA aber zum Nachteil, weil sie den Handlungsspielraum für Adams einengte. Mit ihrer Erklärung verpflichtet sich die IRA, innerhalb der parlamentarischen Parameter zu bleiben.
Und auch innerhalb der Gesetze?
Ja, sie darf zum Beispiel keine Aktivitäten zur Geldbeschaffung unternehmen, etwa durch Benzinschmuggel. Die IRA hat das freilich nie als kriminelle Handlung gesehen, sondern argumentiert, dass man der Regierung die Steuer vorenthalte. Die Jesuiten würden solche Logik bewundern. Jedenfalls muss die IRA künftig auf diese Aktivitäten verzichten, oder die Mitglieder müssen es privat tun.
Was bedeutet es für Sinn Féin, künftig ohne ihren bewaffneten Arm auszukommen?
Wichtig ist, dass Sinn Féin die IRA nicht mehr als physisches Argument benutzen kann. Bisher haben sich viele nicht getraut, mit Sinn Féin zu streiten. Wenn man sich gegen normale Parteien äußert, wird man vielleicht im Golfclub geschnitten oder bekommt seine Baugenehmigung nicht, aber man wird nicht vermöbelt. Für Sinn Féin bedeutet es, dass die Partei künftig konventioneller und besser argumentieren muss. Sinn Féin steht, zumindest in der Republik Irland, rechts vom Zentrum. Es wird sich eine linke Opposition gegen Sinn Féin entwickeln.
Können die nordirischen Institutionen, also die Regierung und das Regionalparlament, die vor drei Jahren suspendiert wurden, jetzt wieder eingesetzt werden?
Pfarrer Ian Paisley und seine Democratic Unionist Party (DUP) werden sich weiterhin weigern, mit Sinn Féin ins Geschäft zu kommen. Dieses Verhalten stellt Nordirland als politisches Gebilde in Frage. Paisleys Sicht der Welt ist allen bekannt. Wer für ihn stimmt, weiß genau, was er bekommt. Er spiegelt seine Wählerschaft wider, und Tatsache ist, dass diese Wähler die Macht eben nicht teilen wollen. Dadurch wird Sinn Féin langfristig geschwächt, weil die Partei gegen ihren Willen in eine außerparlamentarische Rolle gedrängt wird. Das ist, als ob man die Uhr um 30 Jahre zurückdreht. Damals sagte Sinn Féin: Wir gehen nicht ins Parlament. Heute sagt die DUP: Ihr geht nicht ins Parlament. Die Folgen sind dieselben. Die Wähler werden pragmatisch reagieren. Wenn es beispielsweise darum geht, die Schließung eines Krankenhauses zu verhindern, wählt man eine Alternative, wenn die Stimme für Sinn Féin verschenkt wäre.
Sie haben 17 Jahre im Gefängnis gesessen, sind 1980 im Hungerstreik fast gestorben, ihre drei Brüder sind erschossen worden. War es das alles wert?
Ich bin zwar kein Philosoph, aber darauf kann ich nur philosophisch antworten. Ich habe die Karten ausgespielt, die mir zugeteilt wurden. Ich habe kein Problem mit meiner Vergangenheit. Sicher, es hat viele Schmerzen gegeben, auch für mich und meine Familie. Aber unser Kampf war gerechtfertigt. Wir haben gekämpft und verloren. Aber es ist besser, zu kämpfen und zu verlieren, als gar nicht erst zu kämpfen.
INTERVIEW: RALF SOTSCHECK