berliner szenen: Gut gelaunte Kinder vor Endgeräten
Mehr als sonst scrolle ich derzeit durch Blogs und Instagram-Profile. Viele Familien-Bloggerinnen schreiben jetzt Coronatagebücher. Wie es so läuft, mit den Kids zu Hause. Sie posten Bilder von gut gelaunten Kinder vor digitalen Endgeräten. Sie berichten, wie Kinder sich auf die Videochats mit Lehrern und Mitschülern freuen. Zwischendurch gibt es Obstpausen. So der Grundtenor. Manchmal zieht mich das total runter. Weil es hier leider nicht so läuft.
Schule heißt jetzt, langweilige Texte lesen, seitenweise Arbeitsblätter ausfüllen und viele Aufgaben, die ohne elterliche Hilfe nicht zu schaffen sind. Statt die Freunde zu treffen, sieht man jetzt nur noch Mama und Papa, dauernd kommen Mails von Lehrern. Und statt Obst gibt es hier zwischendurch Wutausbrüche, Sinnfragen und jede Menge Streit.
Als ich es gar nicht mehr aushalte, flüchte ich in den Kleingarten, zum meditativen Kartoffelsetzen. Über den Gartenzaun quatsche ich mit der Nachbarin. „Homeschooling“, schnaubt sie, „das zieht sich den ganzen Tag, und kaum drehe ich mich um, macht sie schon wieder was anderes.“ Das Kind ist elf. Bislang dachte ich, bei kleinen Mädchen wäre mehr Lernwillen. „In Sport hat sie so ein Laufprogramm bekommen. Das wollte sie dann in der Wohnung machen. Weil sie ja nicht im Schlafanzug raus kann. Andere Lehrer machen Videokonferenzen, unser kümmert sich gar nicht.“
Ich erzähle, wie es bei uns gerade (nicht) läuft. Und von der Videokonferenz in der Parallelklasse. „Stell dir vor“, berichtete mein 14-Jähriger, „Joshuas Lehrer wollte alle über Zoom kontaktieren. Morgens um 9! Joshua hat sofort sein Handy ausgeschaltet. Um 9 schläft er doch noch.“ Die Nachbarin lacht. Ich auch. Wie gut tut es, nicht an seine Follower denken zu müssen, sondern einfach zu erzählen, wie ätzend gerade alles ist. Gaby Coldewey
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