Kohls Lieblingsschüler will die SPD ärgern

taz geht wählen - die Serie zur Bundestagswahl am 18. September. Die 64 nordrhein-westfälischen Direktwahlkreise im Porträt. Wer kämpft um das Mandat? Wer sind die Außenseiter? Wer gewinnt? Heute: Recklinghausen I

Recklinghausen I?Irgendwo zwischen Münsterland und Ruhrgebiet liegt der Wahlkreis 122. Darin vereint: Recklinghausen, Waltrop und Castrop-Rauxel. Wahl-Überraschungen waren hier in der Vergangenheit eher selten, die Gegend ist ziemlich fest in der Hand der Sozialdemokraten. Selbst bei der verlorenen Landtagswahl im Mai gewann die SPD vier der fünf Recklinghäuser Wahlkreise. Die CDU konnte sich also über Jahre an das Gefühl der Niederlage gewöhnen. Doch das könnte sich in diesem Jahr ändern. So rot wie sonst ist Recklinghausen I wohl nicht mehr.Wer verteidigt den Wahlkreis?Niemand. Der bisherige SPD-Seriensieger Jochen Welt tritt nicht wieder an, er ist seit Mai Landrat in Recklinghausen. Und sein Dauerrivale Erwin Marschewski (CDU) wurde ausgebremst, auch wenn sich die Partei beeilte zu betonen, dass der frühere innenpolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion ganz freiwillig seinen Stuhl geräumt hat. So richtig überzeugend ist das jedoch nicht. Vielleicht ist der „alte Erwin“ auch dem Methusalem-Komplott zum Opfer gefallen. Schließlich musste er Platz machen für Helmut Kohls Lieblingsschüler, den 25-jährigen Bundesvorsitzenden der Jungen Union, Philipp Mißfelder. Der hat sich bisher vor allem dadurch hervorgetan, dass er die Versicherungsleistungen für ältere Patienten einschränken wollte. Viele Freunde hat er sich in der Mutterpartei damit nicht gemacht. Um sich gegen Marschewski durchzusetzen, konnten Mißfelders gute Kontakte in die Partei-Spitze deshalb nicht schaden. Nachdem der Geschichtsstudent bei der Suche nach einem passenden Wahlkreis in halb NRW durchgereicht und abgelehnt worden war, soll Ministerpräsident Rüttgers himself ihn auf den Thron in Recklinghausen gehoben haben. Wer will den Wahlkreis?Die neoliberale Zukunftshoffnung der Konservativen tritt an gegen Frank Schwabe, den der SPD-Ortsverband Castrop-Rauxel ins Rennen schickt. Der 35-Jährige hat eine klassische Parteikarriere hingelegt: vom stellvertretenden Vorsitzenden des Castrop-Rauxeler Juso-Stadtverbandes bis hin zum Mitglied im Parteirat der Bundes-SPD. Sollte Schwabe in den Bundestag einziehen, wäre er der erste Castrop-Rauxeler Kandidat seit mehr als 50 Jahren.Die großen Außenseiter?Gibt es nicht. Auch wenn die neue Linkspartei den etablierten Parteien in Recklinghausen I den Spaß verderben könnte, sind rosa Überraschungen nicht zu erwarten, zumal man bei WASG/PDS wohl noch nicht so genau weiß, wen man ins Rennen schicken wird. Auch FDP und Grüne, die bei der Bundestagswahl 2002 beide um die 7,7 Prozent der Zweitstimmen erreichten, müssen sich keine großen Hoffnungen machen.taz-PrognoseZwischen Münsterland und Ruhrgebiet wird es in diesem Jahr knapper als sonst. Dass die CDU gewinnt, scheint aber doch eher fraglich. ULLA JASPER