PRENZLAUER BERG : Kleine Prinzen
Die Sprösslinge jeden Tag zu unterhalten sei ja auch eine Kunst in einer Großstadt, sagt L.. „Eine junge Mutter und ihr kleiner Prinz kommen fast jeden Tag zu uns in den Laden“, erzählt sie. „Der kleine Kerl weiß den Weg selbständig zu den Spielsachen. Er spielt dann eine Weile, sie ruht ein wenig aus. Meistens kauft sie etwas ein. Wenn sie bezahlt hat, und es dann weitergehen soll mit dem Tagesablauf, fragt sie den Prinzen, was er jetzt unternehmen möchte? Wohin er jetzt gehen will?
Dann muss der Knirps entscheiden, was die beiden weiter machen.“ Wahrscheinlich falle er abends völlig fertig und todmüde von seinem Job ins Bett, mutmaßt L., so als Entscheidungsträger, und wenn das den ganzen Tag so laufen sollte mit seiner Mutter.
„Neulich kamen die Großeltern mit dem Nachwuchs in den Laden. Sie waren zu Besuch in Berlin. Leider, leider geschehe das viel zu selten, sagten sie. Sie stöberten lange mit ihrem Enkelkind im Sortiment herum, sie wollten ihn verwöhnen, das war offensichtlich, und sie suchten großzügig aus für den Jungen. Als wollten sie ihre Zuneigung über einen Stapel Geschenke ausdrücken, ihm etwas hinterlassen, was ihn noch lange an sie erinnern sollte, wenn sie wieder auf und davon sind.“ Aufgekratzt sei der kleine Kerl, seine Vorfahren im Gefolge, schließlich davongezogen.
Der kleine Prinz ist nicht allein. Es gibt sehr viele kleine Kinder in seinem Kiez und sehr viele schwangere und hochschwangere Frauen und solche, die es werden wollen. L. rätselt, wie der Prinz reagieren wird, wenn er später in einer Gruppe auf andere Prinzen und Prinzessinnen treffen wird und kooperieren soll. Und sie fragt sich, welche Idee der Junge wohl entwickelt über das Leben durch sein Leben? Ob das für ihn bedeutet, etwas Neues auszusuchen und zu bekommen, sobald er vor die Tür geht? GUNDA SCHWANTJE