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Archiv-Artikel

Emporkömmling macht sich keine Platte

Team der Woche: Der Tischtennis-Club Borussia Spandau ist in atemberaubendem Tempo in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Jetzt wird es eng für den Verein: Der Klassenerhalt wäre ein „Wunder“, sagt sogar der Manager

Klaus Lietzau wirkt ruhig und gefasst. Gar nicht wie jemand, der in einem aufwärts rasenden Fahrstuhl gerade zum Stillstand gekommen ist. Lietzau ist Manager des Tischtennis-Clubs Borussia Spandau. Die Schmetterlinge von der Havel starten seit ihrer Gründung im Februar 1997 mit atemberaubendem Tempo durch. Von der Kreisliga ging es in einem Zug nach oben, lediglich in der Oberliga legte der TTC eine Ruhepause ein. Nach einem Jahr nahm der Fahrstuhl wieder Fahrt auf: In der Saison 2005/2006 starteten die Spandauer bereits in die 2. Bundesliga.

„Wir haben lange überlegt, ob wir diese Chance wahrnehmen sollen. Wir haben uns entschlossen, in der 2. Liga zu starten, ob wohl wir finanziell zu den ärmsten Klubs gehören“, erzählt Lietzau. Der schnelle Plattensport steht in der Hauptstadt nicht im Rampenlicht, obwohl der TTC im Meisterjahr 2004/2005 in der Sporthalle Grunewaldstraße beachtliche 1.380 Zuschauer begrüßen konnte.

Der letzte Berliner Vertreter, der für erstklassige Schlagzeilen sorgte, hieß vor einem Jahrzehnt Super Donic. Doch das Bundesliga-Experiment mit eingeflogenen und in einem Charlottenburger Luxushotel kasernierten Superstars wie dem Schweden Jörgen Persson oder Ex-Weltmeister Steffen Fetzner schlug fehl. Deutschlands Tischtennis scheint seine Hochburgen in Dorfvereinen gefunden zu haben – Grenzau oder Gönnern sind Beispiele dafür.

Lediglich 50.000 Euro beträgt der Etat des Emporkömmlings Spandau. „Die meisten unserer Konkurrenten haben mindestens das Doppelte zur Verfügung“, erklärt der Manager.

So auch Hertha BSC, seit Jahren das Zelluloid-Flaggschiff auf der Spree, das aus dem Haushalt seiner Fußball-Profis angetrieben wird. Rund 110.000 Euro sollen den Hertha-Künstlern am kleinen Ball für die neue Zweitliga-Spielzeit zur Verfügung stehen. Das reicht, um den Chinesen Guohui Wan, Altmeister Georg Böhm oder Finnland-Import Pasi Valasti zu verpflichten. „In der 2. Bundesliga hat fast jeder Verein einen chinesischen Spitzenspieler“, erzählt Lietzau ohne Selbstmitleid, obwohl sein Team mangels Finanzkraft auf Superstars aus dem Reich der Mitte verzichten muss.

Die Vision des Spandauer Machers von einer Bündelung der Berliner Kräfte scheint geplatzt. In der Szene ist es kein Geheimnis, dass das Herren-Tischtennis bei Hertha, Tennis Borussia oder 3.B – den anderen Größen in der Spree-Metropole – das Steckenpferd einzelner Gönner und weniger das Produkt organischen Wachstums ist.

Spandau will neue Wege gehen. Die Havel-Borussen bauen auf die Rückführung von Berliner Talenten, die einst auszogen, um in der Fremde ihr Glück zu machen. So auch Manager-Sohn Markus Lietzau. Der feinmotorische Spitzenspieler gewann mit dem mittlerweile zum wohl besten deutschen Spieler aller Zeiten avancierten Timo Boll 1998 die Jugendeuropameisterschaft im Doppel. „Timo hat wirtschaftlich ausgesorgt, ich freue mich für ihn“, sagt der mittlerweile 26-jährige Lietzau junior.

Er brach seine Bundesliga-Karriere nach Stationen in Hannover und Würzburg ab, um in Berlin Human- und Zahnmedizin zu studieren. „Das erfüllt mich mehr. In Prüfungsphasen kann ich allerdings nicht trainieren“, erzählt Markus, der noch von seinem großen Talent zehrt. „Allerdings wird er aus Zeitgründen nicht bei allen Auswärtsspielen in der 2. Liga dabei sein“, bedauert Vater Klaus.

Auch deshalb verpflichtete Spandau mit dem griechischen B-Nationalspieler Nikos Keskinoglou und dem polnischen Talent Szymon Kulczycki zwei Cracks, die professioneller arbeiten können. Dennoch rechnet Spandaus Manager damit, dass der Fahrstuhl für die Borussen im neuen Spieljahr stecken bleibt. „Der Klassenerhalt wäre ein Wunder“, betont Lietzau. JÜRGEN SCHULZ