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Ins Ziel gekämpft

Gegen fast ebenbürtige Gladbacher erspielt sich Borussia Dortmund ein 2:1. Einsatz und Wille machen den Unterschied

Wieder auf Meisterkurs: Der BVB punktet im Topspiel Foto: dpa

Aus Mönchengladbach Daniel Theweleit

Wildes Männergebrüll hallte durch den Gang vor der Gästekabine, als die Sportler mit den gelben Trikots nach gewonnener Schlacht zum Duschen gingen. Einige humpelten, Thorgan Hazard und Erling Haaland hatten das Spiel schon vor dem Abpfiff unter Schmerzen verlassen, aber sie wirkten, als wären sie geradezu stolz auf ihre Blessuren, die als Beweis taugen für eine bemerkenswerte Entwicklung. „Das war ein Fight“, sagte Mats Hummels, „wir haben es angenommen, wir sind in Zweikämpfe gegangen, wir haben uns nichts gefallen lassen.“ Der Titelkandidat aus dem Revier hat seinen Charakter verändert, eine neue Widerstandsfähigkeit ist entstanden, Axel Witsel sagte: „Diese Art von Spielen war im letzten Jahr schwieriger für uns.“

Zum ersten Mal in dieser Saison konnten die Dortmunder ein Auswärtsspiel bei einem anderen Klub aus dem oberen Tabellendrittel gewinnen. Und zwar nicht, weil sie ihre fußballerische Überlegenheit zur Geltung gebracht hatten, sondern als Arbeiter. „Glücklich, aber auch irgendwo verdient“ sei dieser Sieg gewesen, sagte Sportdirektor Michael Zorc und traf damit einen interessanten Punkt.

Die Gäste aus dem Revier waren nicht die bessere Mannschaft, aber sie haben das gemacht, wofür im Fußball gerne der Begriff „erzwungen“ verwendet wird. Sie haben Widerstände überwunden, Schmerzen ignoriert, sich von dem Rückschlag des 1:1 motivieren lassen, statt zu hadern.

„Das ist ein Spirit, den wir nach und nach reinkriegen“, so Hummels. Die Gladbacher waren etwas verärgert, weil das Siegtor nach einem schmerzhaften Zweikampf im Mittelfeld gefallen war, Erling Haaland lag „schreiend“ auf dem Rasen, berichtete Gladbachs Christoph Kramer. Aber statt den Ball ins Aus zu spielen, zogen die ­Dortmunder den Angriff durch und Achraf Hakimi traf zum 2:1 (71.). Das war ein Moment, in dem der kleine Unterschied zwischen zwei beinahe ebenbürtigen Teams sichtbar wurde: Der BVB war in diesem Augenblick einen Hauch gieriger, rücksichtsloser, während die Gladbacher sich ein „bisschen irritieren“ ­ließen, wie Lars Stindl einräumte.

Der Siegtreffer wurde zur Krönung einer Phase, die Zorc mit großer Freude erfüllt hatte. Nach Stindls 1:1 (50.) sei der BVB noch einmal „richtig aus dem Sattel gegangen“, sagte er, hatte nicht nur gekämpft, sondern war auch fußballerisch stark. In vielen Auswärtsspielen der jüngeren Vergangenheit haben sie sich durch solche Rückschläge aus dem Konzept bringen, lassen, da war das Spiel des BVB nach Gegentreffern plötzlich gelähmt von der Furcht, Punkte zu verlieren. „Jetzt haben wir die richtige Balance aus Künstlern und Kämpfern“, sagte Hummels und nannte Namen: Die Winterneuzugänge Emre Can und Erling Haaland würden „ganz, ganz große Teile beitragen, durch ihre Art“.

Die Dortmunder machen endlich deutliche Fortschritte auf einer Baustelle, auf der seit Jahren intensiv gearbeitet wird. In allen Transferperioden seit dem Sommer 2018 haben sie versucht, Spieler zu finden, die das Team in den Grenzbereichen stabilisieren, die sich nicht nur aus Pflichtgefühl gegen Widerstände wehren, sondern mit einer wütenden Lust.

Auf dieser Ebene ist Haaland auch an Tagen, an denen er mal kein Tor schießt, ein wertvoller Mitspieler. Can ist ohnehin ein großer Kämpfer, auch er spielte nach einem Zusammenprall in der ersten Halbzeit mit Schmerzen weiter. „Man hat gemerkt, dass die Mannschaft unbedingt gewinnen will“, sagte Zorc, der sich vor wenigen Wochen noch darüber beklagt hatte, dass der BVB auf dem ersten Platz der Fairness-Tabelle stand. An diesem intensiven Fußballabend hatte es nun zehn Gelbe Karten gegeben – und einen Zweikampf, der im Mittelpunkt der Gladbacher Debatten stand.

Dan Axel Zagadou hatte Jonas Hofmann in der ersten Halbzeit im Strafraum umgestoßen, ein Elfmeterpfiff wäre an dieser Stelle möglich gewesen. Doch weder der Schiedsrichter noch seine Assistenten vor den Bildschirmen griffen ein, weil es sich um eine der berühmten Grau­zonenszenen handelte, in denen unterschiedliche Entscheidungen möglich sind. Genau hier soll es ja keine Intervention aus dem Kölner Keller geben. Die spontane Tatsachenentscheidung blieb bestehen, auch wenn der Gladbacher Ärger nachvollziehbar war, weil ein Elfmeterpfiff eben auch nicht falsch gewesen wäre.

Der BVB hat nun sieben seiner acht Rückrundenspiele in der Bundesliga gewonnen und ist robuster geworden, physisch und psychisch – eine Entwicklung, die Thomas Tuchel, dem Trainer von Paris St.-Germain Sorgen machen dürfte. Dort tritt der BVB am Mittwoch im Viertelfinale der Champions League an, in einem Moment, in dem dieses Team auch auswärts plötzlich wie eine Spitzenmannschaft spielen kann.

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